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FORSCHUNG/471: Kristalle binden schädliche Nahrstoffe im Seesediment (verbundjournal)


verbundjournal - November 2014
Das Magazin des Forschungsverbundes Berlin e.V.

Kristalle binden schädliche Nährstoffe im Seesediment

Von Matthias Rothe, Wiebke Peters & Angelina Tittmann



IGB-Forscher haben herausgefunden, dass das Mineral Vivianit in hohem Maße zur langfristigen Bindung des Nährstoffs Phosphor im Sediment beitragen kann - damit ergeben sich neue Möglichkeiten, Seen schneller in einen nährstoffarmen Zustand zu überführen.


Unter naturnahen Bedingungen gelten unsere Oberflächengewässer in der Regel als nährstoffarm. Mittlerweile trifft das jedoch nur noch auf die wenigsten Seen in Deutschland und Europa zu. Viele von ihnen sind stark mit Nährstoffen wie Stickstoff und Phosphor belastet. Das hat meist ein übermäßiges Wachstum von Algen und anderen Wasserpflanzen zur Folge.

Im Gegensatz zu Stickstoff lagert sich Phosphor vorübergehend oder über viele Jahrzehnte dauerhaft in den Sedimenten der Gewässer oder in Uferbereichen ab. Einmal in die Gewässer geleiteter Phosphor kann dort über viele Jahrzehnte gespeichert werden. Das Mineral Vivianit, das in wassergesättigten Böden, Mooren und Sedimenten vorkommt, kann diesen Prozess langfristig unterstützen. Dieses Fe(II)-Phosphatmineral, auch unter den Synonymen Blaueisenerde oder natürliches Berlinblau bekannt, kann sich unter bestimmten Milieubedingungen im Porenraum von Sedimenten bilden und dabei Phosphationen in seinem Kristallgitter binden. Dadurch ist dieser Phosphor unter natürlichen Umweltbedingungen nicht mehr mobilisierbar, so dass er für Primärproduzenten im Wasser, zum Beispiel Algen, nicht mehr zur Verfügung steht. Damit stellt Vivianit eine langfristige Phosphor-Senke in aquatischen Ökosystemen dar.

"Einmal in die Gewässer geleiteter Phosphor kann dort über viele Jahrzehnte gespeichert werden."

Auch wenn das Mineral unter Wissenschaftlern, die sich mit Sedimenten von Binnengewässern befassen, nicht unbekannt ist, war der eindeutige Nachweis in ungeschichteten, jungen Seesedimenten bislang schwierig, da Phosphor-Verbindungen nur einen Bruchteil der gesamten Sedimentmasse ausmachen.

Untersuchungen im Groß-Glienicker See

Um mehr über die Bildung und Eigenschaften von Vivianit in Gewässersedimenten herauszufinden, wurden in einem von der DFG geförderten IGB-Forschungsvorhaben Porenwasser und Sediment des Groß-Glienicker Sees genauer untersucht. Dieser See im Südwesten Berlins wurde ausgewählt, weil hier vor mehr als 20 Jahren im Rahmen einer Seenrestaurierung oxidierte Eisenverbindungen zugegeben worden waren, um die Phosphor-Konzentration im Wasserkörper zu senken. Die seither herrschenden geochemischen Bedingungen am Gewässerboden mit hohen Konzentrationen an gelöstem Eisen begünstigen die Bildung von Vivianit. In den oberen 30 cm des Sediments ist das Porenwasser mehr als 1000-fach mit Eisen(II) und Phosphat übersättigt, sodass eine Bildung von Vivianit möglich erscheint.

Vivianit trägt maßgeblich zur Nährstoffminderung bei

Für einen direkten Nachweis von Vivianit ist eine Anreicherung des Minerals notwendig. Deswegen trennten die IGB-Forscher die Sedimentpartikel nach ihrer Dichte. Dadurch gelang es ihnen, Vivianit in der schweren Dichtefraktion anzureichern und zweifelsfrei zu identifizieren. Nach der Dichte-Trennung war es zudem möglich, erstmals eine Quantifizierung der Vivianitpartikel vorzunehmen: In den oberen 20 cm des Sediments sind 20 Prozent des gesamten Phosphors in Form von Vivianit festgelegt. Damit lassen sich mehr als 40 % der Zunahme des Phosphor-Gehalts im Sediment seit der Eisenzugabe durch die Bildung von Vivianit erklären. Anders ausgedrückt: Die Vivianitbildung hat durch Verminderung der Nährstoffkonzentration im Wasserkörper zur Verbesserung des trophischen Zustands des Sees beigetragen - von ehemals hoch eutrophen zu heute mesotrophen Verhältnissen.

Untersuchungen in verschiedenen Sedimenttiefen zeigten, dass die Zugabe von Eisen im Rahmen der Seenrestaurierung vor über zwei Jahrzehnten Auslöser für die Bildung von Vivianit im Sediment des Groß-Glienicker Sees war und der Bildungsprozess bis heute anhält. Dabei wurde deutlich, wie wichtig die Funktion von Eisen im Allgemeinen und die Bildung von Vivianit im Speziellen für die langfristige Speicherung von Phosphor in Sedimenten sind. Durch das Verständnis und die gezielte Ausnutzung dieser natürlich ablaufenden Prozesse ergeben sich neue Möglichkeiten zur Verminderung der Eutrophierung in Seen.

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Nährstoffe im Wasser: Eine Frage der Dosis

Ohne Nährstoffe wäre in Oberflächengewässern kein Leben möglich: Stickstoff, Phosphor und Silizium - um die wichtigsten Stoffe zu nennen - sind Nahrung für Algen (Phytoplankton) und auf dem Grund angesiedelten Bewuchs (Phytobenthos). Von Phytoplankton ernähren sich Kleintiere wie Krebse, die wiederum den Fischen als Futter dienen. Wenn die verfügbaren Nährstoffe verbraucht sind, wird das Algenwachstum gehemmt.

Die Nutzung von Landschaft und Gewässern bewirkt jedoch häufig einen erhöhten Eintrag von Phosphor und Stickstoff in Flüsse und Seen und hat meist ein übermäßiges Wachstum von Algen und anderen Wasserpflanzen zur Folge. Nach ihrem Absterben können Zersetzungsprozesse zu einem Sauerstoffmangel im Wasser führen.

Die Folge: lebensfeindliche Bedingungen für die aquatische Tierwelt. Einige Cyanobakterien - früher Blaualgen genannt - können zudem toxische Verbindungen abgeben und so die Nutzung als Bade- und Freizeitgewässer einschränken. Um die Qualität unserer Binnen- und Küstengewässer zu erhalten bzw. zu verbessern, ist es daher notwendig, die Nährstoffeinträge und -konzentrationen zu reduzieren.


Biogeosciences Discuss., 11, 7359-7388, DOI: 10.5194/bgd11-7359-2014.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Elektronenmikroskopische Aufnahme eines Vivianitpartikels. Er besteht aus platten- und nadelförmigen Kristallen und zeigt Einschlüsse von Kieselalgenschalen, was dessen Bildung im Gewässer belegt.

- Mit Vivianit (blaue Partikel) angereicherte Sedimentprobe vom Groß-Glienicker See nach Anwendung einer Dichte-Trennung.

- IGB-Doktorand Matthias Rothe beim Bergen eines Sedimentkerns. Aus Untersuchungen des Porenwassers und der Sedimentpartikel leiten die Wissenschaftler im Anschluss Aussagen über die geochemischen Bedingungen im Sediment und die dort anzutreffenden Phosphorbindungsformen ab.

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Quelle:
verbundjournal Nr. 99, November 2014, Seite 10 - 11
Herausgeber: Forschungsverbund Berlin e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Januar 2015


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