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MASSNAHMEN/190: "Störfall- und Ausbruchsmanagement" in der Trinkwasserversorgung (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1052, vom 20. Dez. 2014 - 34. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Störfallmanagement in der Wasserversorgung: Neuorientierung!



Prof. Dr. MARTIN EXNER und sein Mitarbeiter, Prof. Dr. THOMAS KISTEMANN, haben die erste Ergänzungslieferung zur Loseblattsammlung "Trinkwasser aktuell" (s. RUNDBR. 1039/3 - dort auch die bibliographischen Angaben, Preise und Bestelladresse beim Erich-Schmidt-Verlag) genutzt, um einen programmatischen Grundsatzaufsatz zum "Störfall- und Ausbruchsmanagement" in der Trinkwasserversorgung zu publizieren. Störfälle und Ausbrüche seien auch in der deutschen Wasserversorgung "eine stets aktuelle Herausforderung". Den adäquaten Vorsorge-Überwachungsstrategien habe man gleichwohl "in Deutschland in der Vergangenheit (eine) eher nur untergeordnete Betrachtung" geschenkt. Angebracht sei deshalb eine "Neuorientierung der deutschen Trinkwasserversorgung" damit es tatsächlich zu einer "Erarbeitung von Maßnahmenplänen zur Beherrschung von Störfällen und wasserbedingten Ausbrüchen" komme. Im Vergleich zur Anfangszeit der Trinkwasserhygiene würden heutzutage "zusätzliche Risiken" drohen: U.a. würde der Anteil älterer Menschen mit einer erhöhten Infektionsanfälligkeit mit dem demographischen Wandel zunehmen. Auch immunabwehrgeschwächte HIV-Erkrankte, Säuglinge und Kleinkinder sowie Patienten mit Immunsupression seien gegenüber trinkwassersassoziierten Krankheitskeimen besonderen Risiken ausgesetzt. Deshalb dürfe "von dem überragenden Schutz- und Rechtsgut Trinkwasser keine, auch noch so geringe Besorgnis ausgehen, sein Genuss oder Gebrauch könnte über ein unvermeidbares Restrisiko hinaus die menschliche Gesundheit gefährden".

Die beiden Autoren zitieren in dem Zusammenhang auch die EG-Trinkwasserrichtlinie 98/1983. Diese bestimmt in Art. 6(3), "dass geeignete Maßnahmen ergriffen werden" müssen, "um das Risiko der Nichteinhaltung der Parameterwerte zu verringern oder auszuschalten".

Die Kunden im Kontaminationsfall informieren!

EXNER & KISTEMANN zitieren aus der EG-Trinkwasserrichtlinie auch die Passagen, in denen gefordert wird, die Bevölkerung im Kontaminationsfall sachgerecht zu informieren. So sollen die von einer Grenzwertüberschreitung betroffenen Verbraucher über etwaige Abhilfemaßnahmen, die sie ergreifen sollten, unterrichtet und beraten werden. Nach Art. 8 (3) muss man den Verbrauchern bei einer Nichteinhaltung von Parameterwerten "unverzüglich entsprechende Informationen und Ratschläge" zur Verfügung stellen. Zitiert wird auch Art. 9(6) zur Information der Bevölkerung über Abweichungen: Danach muss "die von der Abweichung betroffene Bevölkerung unverzüglich und angemessen über die Abweichung und die damit verbundenen Bedingungen in Kenntnis" gesetzt werden. Zudem sollen Bevölkerungsgruppen, für die auf Grund des kontaminierten Trinkwassers "ein besonderes Risiko besteht, Verhaltensratschläge zur Risikominderung" erteilt werden. Ähnliches kann man auch in Art. 8 des UNECE/WHO-Protokolls über Wasser und Gesundheit (s. RUNDBR. 979/1-4) lesen: Bei wasserbedingten Ausbrüchen seien "den zuständigen öffentlichen Instanzen und ggf. der Öffentlichkeit Empfehlungen über Verhütungs- und Abhilfemaßnahmen gegeben werden". Nach den §§ 9 und 10 der Trinkwasserverordnung komme bei einer Kontamination dem Gesundheitsamt die Aufgabe zu, die betroffenen Verbraucher über mögliche Verwendungsbeschränkungen und Maßnahmen "angemessen" (zu) informieren, sie zu beraten und nötigenfalls besonders empfindliche Personengruppen auf besondere Schutzmaßnahmen hinzuweisen.

Umgekehrt solle man aber auch auf Informationen aus dem Kreis der Kunden achten: Denn "bisweilen" würden Beschwerden von Verbrauchern über sensorische Qualitätsveränderungen des Trinkwassers frühzeitig auf die Möglichkeit eines Störfalls in der Wasserversorgung hinweisen. "Gesundheitsamt und Betreiber sollten deshalb solche Klagen auch als mögliches Auslöse-Ereignis ernst nehmen."

Umweg: Vom Labor über den Wasserversorger zum Gesundheitsamt

Dass positive Befunde von den Labors ("Untersuchungsstelle") zunächst an den Wasserversorger gehen und erst dann dem Gesundheitsamt weitergemeldet werden müssen, erscheint EXNER & KISTEMANN bedenklich. Dieser "indirekte Meldeweg" sei "kritisch zu hinterfragen, denn er beansprucht u.U. mehr Zeit, als sonst nötig wäre". Die beiden Autoren fügen hinzu, dass derzeit für die Untersuchungsstelle lediglich dann die Möglich besteht, ein Untersuchungsergebnis (auch) direkt dem Gesundheitsamt mitzuteilen, wenn dies zuvor zwischen dem Labor, dem Wasserversorger und dem Gesundheitsamt so vereinbart worden ist. Bedenklich erscheint EXNER & KISTEMANN ferner, dass zwar das UNECE/WHO-Protokoll über Wasser und Gesundheit die Kontaminationsgefahr infolge eines extremen Wettergeschehens erwähnt, das Infektionsschutzgesetz und die Trinkwasserverordnung den Wetteraspekt aber überhaupt nicht berücksichtigen.

Proaktive Benennung eines Störfallmanagement-Teams

EXNER & KISTEMANN empfehlen, dass man nicht erst im Kontaminationsfall, sondern bereits in »Normalzeiten« die Mitglieder für ein Störfallmanagement-Team benennen sollte. Eher am Rande gehen die beiden Hygieniker auf die heikle Frage ein, wie man die Zuständigkeit mehrerer Gesundheitsämter koordinieren kann. Es sei "einvernehmlich" zu klären, wem in diesem Fall die Aufgabe zukomme, das Störfallmanagement-Team zu leiten. In einer Fußnote wird hierzu noch angefügt:

"Die Frage, welche Behörde das kreisübergreifende Störfallmanagement-Team im Stör- oder Ausbruchsfall zunächst zusammenruft, sollten die beteiligten Kreise praxisnah von Fall zu Fall beantworten." Der Wasserversorger und das Gesundheitsamt sollten sich, "um im konkreten Störfall möglichst rasch und situationsgerecht reagieren zu können, proaktiv und kooperativ auf ihre spezifischen Aufgaben im Störfallmanagement vorbereiten".

EXNER & KISTEMANN empfehlen, dass man sichergehen müsse, dass die Alarmierung der Mitglieder des Störfallmanagement-Teams "auch außerhalb der Dienstzeiten und am Wochenende" funktioniert. Denn "75% der Wochenzeit liegen außerhalb üblicher Dienstzeiten".

Was ist ein Störfall in der Trinkwasserversorgung?

Als "Störfall" bezeichnen es die beiden Autoren von "Trinkwasser aktuell" wenn es zu einer "(unerwarteten) Nichteinhaltung des Grenzwertes von mindestens einem Parameter der Trinkwasserverordnung" kommt. Ein Störfall sei es aber auch, wenn sonstige Anforderungen der Trinkwasserverordnung nicht erfüllt werden und dadurch "Anlass zur Besorgnis für eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit durch das fragliche (beanstandende) Trinkwasser" besteht.

Den Störfall "regelmäßig" durchspielen!

EXNER & KISTEMANN warnen davor, dass eine unzureichende Vorbereitung des Störfallmanagement-Teams "zu Fehlentscheidungen und Handlungsblockaden" führen könne. Notwendig sei ein "konsequent durchdachtes Handlungskonzept". Mitglieder und ihre Vertreter im Störfallmanagement-Team sollten den Ablauf des Handlungskonzeptes "regelmäßig" durchspielen. Die beiden Autoren raten, die Verantwortung für alle Entscheidungen im Störfallmanagement-Team "immer auf mehrere Schultern" zu verteilen. Damit könne man "mögliche Verdächtigungen, dass Interessen-geleitet entschieden wird", "proaktiv" ausschließen. Die beiden Hygiene-Experten empfehlen des Weiteren, dass das Störfallmanagement-Team "vorab" prüfen sollte, ob ähnlich wie in den USA für "bestimmte Entscheidungen" auch Vertreter der versorgten Bevölkerung, von besonders gefährdeten Risikogruppen und von medizinischen Diensten in das Störfallmanagement-Team eingebunden werden können. In Vorbereitung eines möglichen Störfalls sollte das Störfallmanagement-Team für kommunikative Aufgaben auch einen Sprecher aus seinen Reihen bestimmen. Der Sprecher bzw. die Sprecherin solle "frühzeitig den Kontakt zu allen Pressemedien und wichtigen Verbrauchergruppen und etwa besonders zu berücksichtigen Risikogruppen" anbahnen. Und weiter:

"Auf Grundlage klarer struktureller Regelungen ist diese Person die nach außen verantwortliche und autorisierte Stimme des Störfallmanagement-Teams und verhindert so, dass sich einzelne seiner Mitglieder später (in der reaktiven Phase) unabgestimmt und widersprüchlich zu einem Störfall und seiner Beherrschung öffentlich äußern." Der Sprecher sollte sich auch frühzeitig auf "Skandalisierungsszenarien" vorbereiten. Man könne nämlich nicht ausschließen, dass ein Störfall mittels Skandalisierung für ein "erfolgreiches 'agenda setting' in der politischen Öffentlichkeit" ausgenutzt werden könnte.

Netzwerk von Referenzinstituten: Von der Konkurrenz zur Kooperation

In ihrem Fazit plädieren EXNER & KISTEMANN dafür, unabhängige hygienisch-medizinische Referenzinstitute in das Störfallmanagement einzubinden. Etwas kryptisch heißt es dann, dass das Störfallmanagement "jederzeit auf ein Netzwerk" von Referenzinstituten zurückgreifen sollte, wobei die Referenzinstitute nicht nur untereinander konkurrieren, sondern auch miteinander kooperieren sollten:

"Dem Schutz der Verbraucher und der Wasserversorgung sowie der fachlichen Stärkung der Gesundheitsämter käme es sehr entgegen, ein derartiges Netzwerk in Deutschland zu etablieren."

Störfallmanagement auf 37 Seiten

Im RUNDBR. können nur einige wenige Aspekte des umfassenden Aufsatzes von EXNER&KISTEMANN wiedergegeben werden. Der Aufsatz der beiden Autoren umfasst in "Trinkwasser aktuell" immerhin 37 Seiten, wobei auf das Literaturverzeichnis zwei Seiten entfallen. Die erste Ergänzungslieferung widmet sich in weiteren ausführlichen Kapiteln auch folgenden Themen:

  • "Überwachungsbehördliche Melde- und Berichtspflichten sowie Anzeige- und Informationspflichten des Wasserversorgungsunternehmens";
  • Grundbegriffe und Struktur der Datenbeurteilung sowie der toxikologischen Bewertung von Stoffen im Trinkwasser" (22 S.);
  • "Calcium und Magnesium im Trinkwasser";
  • "Geruch, Geschmack und Färbung - Herkunft, Bedeutung und Quantifizierung"
  • Spurenstoffe: Dem Skandalisierungspotenzial vorbeugen

In dem neuen Kapitel "Weitere organische Stoffe ohne Grenzwert" widmen sich Heinz-JÜRGEN BRAUCH & FRANK SACHER auf 12 S. in "Trinkwasser aktuell" ausgewählten Spurenstoffen und Mikroverunreinigungen. In ihrer Bewertung der "Bedeutung der neu entdeckten Stoffe in der Trinkwasserversorgung" schreiben die beiden Mitarbeiter des DVGW-Technologiezentrums Wasser in Karlsruhe, dass jedes Auftreten der Spurenstoffe "angesichts des üblichen Fehlens 'harter Daten' zu ihrer wissenschaftlich verbindlichen gesundheitlichen Bewertung eine beträchtliche kommunikatorische Herausforderung" nach sich ziehen würde. Die beiden Analytiker geben deshalb folgenden Ratschlag:

"Dem Skandalisierungspotenzial eines Kontaminationsproblems oder auch nur -vorkommnisses, das angesichts dieser Sachlage medienseitig latent immer vorhanden ist, kann ein Unternehmen jedoch zuvorkommen, wenn es sich eine möglichst breite Datenbasis zu Vorkommen, Verhalten und trinkwasserhygienischer Bewertung neuer Analyte und zu ihrer Roh- und Trinkwasserrelevanz vorhält. (...) Gute kommunikatorische Praxis ist es, eigene Messbefunde nicht erst in 'letzter Minute', sondern laufend bekannt zu geben (...)."

Überwachung der Radonfolgeprodukte "läuft ins Leere"

In dem neuen Kapitel "Radioaktive Stoffe (mit Grenzwert) im Trinkwasser" in der Loseblattsammlung "Trinkwasser aktuell" beschäftigen sich THOMAS BÜNGER ET AL. mit der Reglementierung von Radioisotopen in der Trinkwasserverordnung. Die Trinkwasserverordnung habe im Jahr 2001 die Details zur Überwachung der Parameter Tritium, Kalium-40 und der Radonzerfallsprodukte "für einen späteren Zeitpunkt in Aussicht" gestellt. "Da diese Ankündigung seitdem unerfüllt blieb, lief die Überwachung beider Parameter seit 2001 ins Leere." Wenn man aber die Radonzerfallsprodukte Blei-210 und Polonium-210 bei der Überwachung der zulässigen Gesamtrichtdosis von 0,1 Millisiefert pro Liter mitberücksichtige, dann würde sich die Überschreitung der Gesamtrichtdosis von einer Probe auf 57 Proben von 582 untersuchten Trinkwasserproben erhöhen. Da aber rechtlich verbindliche Vorgaben für die Untersuchung der Radioaktivitätsparameter fehlen, hätten bislang weder Wasserversorger noch Behörden das Trinkwasser auf das gesamte Spektrum der relevanten Nuklide untersucht. Deshalb habe im Jahr 2009 das Bundesumweltministerium eine Expertengruppe einberufen, um einen "Leitfaden zur Untersuchung und Bewertung von Radioaktivität im Trinkwasser" zu erarbeiten. Da dieser Leitfaden seit Aug. 2012 vorliege, könne jetzt die Einhaltung der Gesamtrichtdosis auch unter Einbezug der Radionuklide bestimmt werden, die bislang aus der Überwachung herausgefallen waren. In ihrem Fazit stellen die Autoren fest: "Mit Stand Mitte 2014 existierten nach wie vor noch keine rechtlich verbindlichen Vorgaben zur Überwachung der radioaktivitätsbezogenen Parameter in der Trinkwasserverordnung."

Die EU beabsichtige jedoch, diesen seit 1998 andauernden Missstand bei der Überwachung von Tritium und der Gesamtrichtdosis in absehbarer Zukunft abzustellen. Der Leitfaden des BMU greife diese Entwicklung nicht nur aktiv auf, sondern sage auch bereits, wie man es richtig macht. Ferner schreiben die Autoren, dass die Abgabe von Radionukliden durch die Atomkraftwerke in die Flüsse "nur streng kontrolliert und begrenzt" erfolgen würde. Für die Trinkwasserversorgung seien die radioaktiven Emissionen der Atomkraftwerke im bestimmungsgemäßen Betrieb "praktisch bedeutungslos" (siehe auch nächste Notiz).


Billionen Becquerel Tritium im Rhein

Obwohl der französische Staatschef vor zwei Jahren versprochen hat, das Uralt-Atomkraftwerk Fessenheim am elsässischen Rheinseitenkanal bis zum Jahr 2016 stillzulegen, hat jetzt die Électricité de France (EdF) eine neue wasserrechtliche Genehmigung für die Einleitung von Abwärme, radioaktiven Isotopen sowie von Schad- und Nährstoffen beantragt. Wir haben im Auftrag des Trinationalen Atomschutzverbandes (TRAS) und des BUND einen 19seitigen Einspruch zu diesem Antrag formuliert.

Interessierte RUNDBR.-LeserInnen können den Einspruch u.a. auf der TRAS-Homepage
http://www.atomschutzverband.ch/
herunterladen. In dem Einspruch haben wir u.a. moniert, dass in der Umweltverträglichkeitsuntersuchung nicht nachgewiesen wird, dass die Einleitung des radioaktiven Tritiums tatsächlich nach dem Stand der Technik reduziert wird. Der EdF-Antrag sieht eine Tritium-Belastung des Rheinwassers mit bis zu 280 Becquerel Tritium pro Liter vor. Die natürliche Tritium-Konzentration liegt ansonsten bei ca. 5 Becquerel pro Liter. Insgesamt hat die die EdF beantragt, jährlich Tritium in zweistelliger Billionenhöhe Becquerell einleiten zu dürfen. Nachstehend einige weitere Aspekte aus dem TRAS/BUND-Einspruch.

Den gesamten Rheinabfluss um vier Grad aufheizen

In der Zusammenfassung des Einspruchs heißt es u.a.:

1. Die beiden Reaktorblöcke des Atomkraftwerkes (AKW) Fessenheim verfügen über keine Kühltürme. Damit müssen zwei Drittel der Primärenergie direkt in den Rhein abgeleitet werden. Aufgrund der kontinuierlichen Einleitung von 3.600 Megawatt "Wärmemüll" will die EdF weiterhin den gesamten Abfluss im Grand Canal d'Alsace (Rheinseitenkanal) um drei bis vier Grad auf bis zu 29 Grad Celcius aufwärmen. Damit ist und bleibt das AKW Fessenheim der mit weitem Abstand größte Abwärmeeinleiter im gesamten Rheineinzugsgebiet. Die jetzt vorgesehene Reduzierung der Rheinwassererwärmung bleibt marginal. Die Abwärmeeinleitungen aus dem AKW Fessenheim und verstärkt damit die Effekte des Klimawandels. Die UVP berücksichtigt nicht die heutigen Erkenntnisse über die Schädigungen der Gewässerökologie und der Trinkwassergüte durch die Abwärmeeinleitungen.

2. Millionen Menschen am Mittel- und Niederrhein sowie in den Niederlanden werden mit Rheinuferfiltrat versorgt. Je wärmer das Rheinwasser und damit das Rheinuferfiltrat werden, desto eher muss befürchtet werden, dass es zu mikrobiologischen Verschlechterungen der Trinkwassergüte kommt. Zudem geht in warmen Wasser ein größerer Anteil von chemischen Schadstoffen, die ansonsten an Partikel gebunden sind, in Lösung. Schadstoffe werden damit besser biologisch verfügbar gemacht und das Rheinuferfiltrat - und ggf. das Trinkwasser - werden vermehrt mit Schadstoffen belastet.

3. Gegenüber kaltwasserliebenden "Langdistanzwanderfischen" wirkt die Abwärmeeinleitung als "thermische Barriere". Die Wahrscheinlichkeit, dass Lachse, Meerforellen und andere Fische ihre angestammten Laich- und Jungfisch-Lebensräume erreichen, wird dadurch eingeschränkt. Damit werden auch die Ziele der EG-Wasserrahmenrichtlinie gefährdet. Die französische und die deutsche Wasserwirtschaftsverwaltung sehen im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie für den Grand Canal d'Alsace und die unterhalb liegenden Rheinabschnitte bis Iffezheim vor, dass das "gute ökologische Potential" erreicht wird. Zum "guten ökologischen Potenzial gehört auch, dass die "Langdistanzwanderfische" ungehindert ihre angestammten Lebensräume erreichen können.

4. Im Kühlwassereinlauf des Atomkraftwerkes werden durch den gewaltigen Sog jährlich Millionen Fische getötet. Dies bedroht u.a. die Aale, die ohnehin vom Aussterben bedroht sind. Damit verstößt der Weiterbetrieb des Atomkraftwerkes auch gegen die EU-Aalverordnung.

5. Im Hinblick auf die Schädigung der Gewässerökologie wird in der UVP nicht berücksichtigt, dass alternative Energieumwandlungsstrategien sowie Maßnahmen zur Energieeinsparung und Energieeffizienzerhöhung zur Verfügung stehen. Diese "bessere Umweltoptionen" im Sinne der EG-Wasserrahmenrichtlinie und der EU-Energieeffizienzrichtlinie erlauben die sofortige Abschaltung des Atomkraftwerkes Fessenheim.

Fessenheim: Intransparents Verfahren

In dem Einspruch wird auch das völlig intransparente Verfahren bei der EdF-Antragstellung kritisiert. Denn völlig unüblich ist es, dass die Eingaben der interessierten Öffentlichkeit zur Umweltverträglichkeitsprüfung nicht bei der zuständigen Behörde, sondern beim Antragsteller selbst eingereicht werden sollen. Damit wird es der EdF als Partei überlassen, eine an den Interessen der EdF orientierte "Bilanz" zu ziehen. Deshalb fordern TRAS, BUND und wir, dass sich die zuständigen französischen Behörden die Eingaben der interessierten Kreise im Original vorlegen lassen. Die Aufgabe, eine Bilanz der Einsprüche zu ziehen, kommt den Behörden und nicht der parteiischen EdF zu!

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1052
Herausgeber:
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser
im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU),
Rennerstr. 10, 79106 Freiburg i. Br.
Tel.: 0761 / 27 56 93, 456 871 53
E-Mail: nik[at]akwasser.de
Internet: www.akwasser.de, www.regioWASSER.de
 
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Januar 2015


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