Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → WASSER

MEDIEN/005: Was tun gegen Medikamente in Abwasser, aquatischer Umwelt, Trinkwasser (BBU AK Wasser)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 905 vom 23. November 2008 28. Jahrgang

Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Therapie gegen Medikamente in der aquatischen Umwelt


Was man gegen die Medikamente im Abwasser, in der aquatischen Umwelt und im Trinkwasser (siehe Fußzeilen) unternehmen könnte, haben Wissenschaftler des Instituts für sozialökologische Forschung (isoe) in Zusammenarbeit mit zahlreichen Fachleuten aus dem Hochschulbereich in einem zweijährigen Forschungsprojekt untersucht. Um den Praxisbezug zu gewährleisten wurden die Forschungsarbeiten von einem Projektbeirat begleitet, im dem die wesentlich Akteursgruppen repräsentativ vertreten waren. Jetzt liegt der Abschlussbericht des vom Ministerium für Bildung und Forschung geförderten transdisziplinären Forschungsprojekts über "Strategien zum Umgang mit Arzneimittelwirkstoffen im Trinkwasser" (start) vor (siehe zu den Anfängen dieses Projektes RUNDBR. 845/2, 840/2, s. auch 897/4). Die AutorInnen nehmen für sich in Anspruch, dass mit dieser Publikation "erstmals eine praxisrelevante Studie" zur Eindämmung von Humanpharmaka in der aquatischen Umwelt und im Trinkwasser vorgelegt worden sei. Tatsächlich fasst die Studie den aktuellen Stand des Wissens zum Thema sehr gut zusammen. Schwerpunkt der Broschüre sind Handlungsvorschläge zur Reduzierung der Medikamentenbelastung. Dabei werden drei Handlungsfelder betrachtet, in denen Problemlösungen ansetzen sollten:
- Arzneimittelentwicklung,
- Umgang mit Arzneimitteln und
- Emissionsmanagement in der Siedlungswasserwirtschaft.

Ziel der Broschüre sei es, "einen möglichst breiten Diskurs über Lösungsperspektiven anzustoßen und Impulse für die Realisierung einer Problemlösung zu geben". Die AutorInnen gehen davon aus, dass eine relevante Reduzierung der Arzneimittelbelastung nur erreichbar sein wird, wenn Aktivitäten in allen drei Handlungsfeldern gestartet werden. Um den Prozesse zunächst ein Mal in Gang zu setzen, wurde pragmatisch "eine Auswahl von Handlungsmöglichkeiten getroffen, deren Umsetzung für die betroffenen Akteure einen vergleichweise geringen Aufwand bedeutet". Mittel bis langfristig setzen die Autoren u.a. auf nachhaltige Sanitärsysteme mit einer Auftrennung von belasteten und unbelasteten Abwasserteilströmen. Lt. Vorwort zur Broschüre richtet sich das Strategiepapier an Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger in Politik, Verwaltung, Unternehmen und Organisationen. Der Broschüre und den darin enthaltenen Handlungsvorschlägen ist in den Zielgruppen eine breite Resonanz zu wünschen! [Was noch etwa fehlt, ist die integrale Betrachtung der Siedlungswasserwirtschaft: Die Problemstoffe, die in der Kanalisation Richtung Kläranlage schwappen, bestehen nicht nur aus Arzneimittelwirkstoffen. Im Kommunalabwasser findet sich eine nicht überschaubare Palette von Schadstoffen, die zum kleinsten Teil dem Gesundheitssektor zuzuschlagen sind. Selbst wenn gar keine Pharmaka mehr ins Abwasser gelangen würden, müsste man deshalb trotzdem über weitergehende Abwasserreinigungs- und Trinkwasseraufbereitungsverfahren nachdenken.]

Die Broschüre (A4, 50 S.) kann von der Projekt-Homepage unter www.start-project.de als pdf-Datei heruntergeladen werden.


Die "Behandlung hochbelasteter Klinikabwasser-Teilströme" ...

... ist auch Thema eines Aufsatzes von BETTINA SAYDER ET AL. in der GWF-WASSER/ABWASSER 7-8/08, S. 576 - 584. Die AutorInnen berichten über Versuche zur oxidativen Zerstörung von schwer abbaubaren Zytostatika sowie von Antibiotika im Labor- und Demonstrationsmaßstab. Obwohl die Arzneimittelfracht im Kommunalabwasser in der Regel nur zu zwanzig Prozent auf Krankenhäuser und Kliniken zurückzuführen ist, haben es die Krankenhausabwässer in sich: Denn in Krankenhausabwässern lassen sich häufig mutagene und bakterientoxische Eigenschaften nachweisen (vgl. auch RUND-BR. 880/1). Als Ursache für eine erhöhte Gentoxizität wurden neben Desinfektionsmitteln u.a. die in der Chemotherapie eingesetzten Zytostatika sowie bestimmte Antibiotika identifiziert. Aufgrund ihrer Versuche kommen die AutorInnen zum Ergebnis, dass die oxidative Eliminierung der Problemstoffe im Krankenhausabwasser "mit einem vertretbaren Kostenaufwand technisch möglich" sei. Bei der UV-Oxidation (mit Quecksilber-Niederdruck- bzw. -Mitteldrucklampen und Zudosierung von Wasserstoffperoxid) bzw. bei der Ozonisierung ist bei der Behandlung von 3,5 Kubikmetern am Tag mit Jahreskosten von unter 10.000 Euro zu rechnen. Es wird davon ausgegangen, dass die DWA noch im Jahr 2008 "detaillierte Informationen hinsichtlich der Voraussetzungen und technischen Möglichkeiten zur Elimination von Arzneimitteln aus dem Wasserkreislauf zu Verfügung stellen" wird (s. auch 887/4, 861/2-3, 826/2-3). Die AutorInnen kommen (u.a. auch an Hand von 35 Lit.-Hinweisen) zu folgendem Fazit:

"Insgesamt erscheint sowohl die gezielte Teilstrombehandlung an Hotspots wie z.B. psychiatrischen Krankenhäusern, die als Haupteintragsweg von Psychopharmaka anzusehen sind, oder Schwerpunktkliniken mit hohen Verbrauchsmengen von Zytostatika und Antibiotika, als auch die Behandlung von Kläranlagenabläufen sinnvoll."

Weitere Auskunft:
Dipl.-Ing. Bettina Sayder, Fraunhofer-Institut
für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik
(Umsicht),
Ostefelderstraße 3
46047 Oberhausen
E-Mail: bettina.sayder@umsicht.fraunhofer.de


Unsere megadicke Materialsammlung über die schlagzeilenträchtigen "Pseudohormone" (Substanzen mit endokrin-hormoneller Wirkung auf Wasserlebewesen) informiert über die entsprechende Debatte von den 80er Jahren bis heute. Bezug gg. Voreinsendg. v. 15 Euro (V-Scheck, Briefm. Bar) an den Ak Wasser, Rennerstr. 10, 79106 Frbg.

Unsere Materialsammlung über die Entwicklung der Aquakultur von Ende der 70er Jahre bis heute - u.a über "Limnotherm" und die großindustrielle Lachszucht sowie über die Bemühungen, in Aquakulturen auch ohne Antibiotika auszukommen - kann durch VOREINSENDUNG von 10 Euro (V-Scheck, bar, Briefm.) bei uns angefordert werden.


*


Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 905/2008
Herausgeber:
Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband
Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)
Rennerstr. 10, D-79106 Freiburg
Tel.: 0761/275693; 45687153
E-Mail: nik@akwasser.de
Internet: http://www.akwasser.de

Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF kann abonniert werden durch Voreinzahlung
von 30 Euro für 30 Ausgaben auf das Postbankkonto Arbeitsgruppe
Wasser, Kto-Nr. 41952 757, Postbank Klrh., BLZ 660 100 75.

Meinungsbeiträge geben nicht in jedem Fall die Position des BBU
wieder! Die Weiterverwendung der Informationen in diesem RUNDBRIEF
ist bei Quellenangabe (!) erwünscht!
© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. März 2009