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POLITIK/420: Köpenicker Trinkwasser - Alles bestens, oder doch nicht? (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 187 - August/September 2015
Die Berliner Umweltzeitung

Trinkwasser: Alles bestens, oder doch nicht?
Köpenicker zweifeln an ausreichendem Schutz der Brunnen in ihrem Bezirk

Von Ulrike Henning


Beim Trinkwasser scheint Berlin sehr gut aufgestellt: Aus 700 Brunnen wird zurzeit Wasser gefördert, einige hundert bleiben zusätzlich in Reserve. Ein Drittel des Stadtgebietes ist Trinkwasserschutzgebiet in einer der drei möglichen Stufen - mit vielen Nutzungseinschränkungen. Dennoch machen sich einige Bürger_innen Sorgen, ob das allein ausreicht. Und ob nicht die bestehenden, teils sehr strengen Schutzregelungen genauer genommen werden müssten, um den Zustand in Zukunft zu erhalten.

Insbesondere zwei Männer aus dem Köpenicker Allende-Viertel sind seit längerem an dem Thema Trinkwasserschutz dran: Torsten Postrach und Harald Wiener, beide Aktivisten des Bürgervereins Allende-Viertel Köpenick e.V. Das Thema ist ihnen wichtig, weil sie zum Beispiel direkt erfahren, wie mit dem Parkverbot am Ende des Müggelschlößchenweges umgegangen wird. Dort, unweit des Fußgängertunnels von Friedrichshagen her, nahe dem Zufluss der Müggelspree in den größten Berliner See, befindet sich nicht nur das Gelände eines Seglervereins, sondern auch eine Wasserschutzzone II sowie eine der höchsten Schutzstufen I.

Die Brunnen dort sind in ihrem Fassungsbereich von je zehn Metern (Zone I) ausreichend geschützt, aber die Zone ist größer und überschneidet sich mit dem Gelände des Seglervereins. Die Segler haben im Winter ihre teils sehr großen Boote auch auf den Freiflächen ihres Grundstücks aufgebockt. Die Vereinsmitglieder parken vor und auf dem Grundstück, "fast bis auf den Müggelsee", beobachtet Harald Wiener immer wieder. Selbst mitten im Winter stehen hier an trüben Wochenenden vier Fahrzeuge - laut Ordnungsamt dürften es nur drei sein. In der Saison sind es wesentlich mehr. Nicht nur Segler stellen ihre Autos ab, sondern auch Spaziergänger, die von hier aus am Müggelsee entlang wandern, oder auch Besucher des Wasserrestaurants Spree-Arche. Das Problem? In Trinkwasserschutzzonen der Stufe II dürfen keine neuen Parkplätze angelegt werden, schon gar nicht solche, bei denen der Boden nicht ausreichend geschützt wird. Quasi per Gewohnheitsrecht wird hier geparkt, auch direkt neben dem entsprechenden Wasserschutz-Verkehrsschild, bei steigender Nachfrage auch auf unbefestigtem Boden.

Seitens der Berliner Wasserbetriebe muss diese Schutzzone wie jede andere mindestens einmal wöchentlich kontrolliert werden. Meldungen über Verstöße gehen an das Ordnungsamt. Das kommt aber kaum vor, heißt es von der zuständigen Mitarbeiterin des Wasserwerkes Friedrichshagen. Für die Segler gibt es eine Art Kompromiss: Sie dürfen mit den Autos hierher fahren, ihre Sachen ausladen, müssen dann aber wieder wegfahren. An Wochenenden wird seitens des Wasserwerkes nicht, seitens des Ordnungsamtes gelegentlich kontrolliert. Angeregt durch Nachfragen von Postrach und Wiener gaben die Wasserbetriebe der Berliner Wasserbehörde die Auskunft, dass Rückstände von den geparkten Autos am "Rande des Messbaren" liegen, man vermerkte aber auch: "Es ist nicht auszuschließen, dass es durch parkende Fahrzeuge zu einer Beeinträchtigung kommen kann."

Geltende Regelungen für Schutzzonen

Nach den geltenden Regelungen dürfen in den Schutzzonen eigentlich keine Verkehrsanlagen errichtet, erweitert oder wesentlich geändert werden - aber selbst das ist möglich, aus Gründen des "Gewässerschutzes, der Verkehrssicherheit und dringender verkehrlicher Notwendigkeiten", wie es dazu aus der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz heißt. Die eigentlich strengen Vorschriften können also aufgeweicht werden.

Wie wenig Handlungsbedarf die Senatsverwaltung sieht, zeigt die Antwort des Staatsekretärs Christian Gaebler (SPD) auf eine Eingabe von Postrach im Sommer 2014. In einer "informellen" Antwort erklärte er, dass "unabhängig von der Schutzzone in einem Wasserschutzgebiet auch auf unbefestigtem Untergrund das Abstellen von Fahrzeugen nicht explizit verboten ist". Ein Parkverbot könnte aber ausgesprochen werden - das hängt von der jeweiligen Wasserschutzgebietsverordnung ab - und die ist nicht nur in dieser Frage auch in Berlin variabel, wäre also auch änderbar.

Ein viel größeres Problem sieht Harald Wiener aber in der großen Nähe von Verkehrswegen zu den Trinkwasserschutzzonen vom Typ I. Der gelernte Wirtschaftskaufmann beschäftigt sich seit den 90er Jahren mit diesen Fragen, als er für Bündnis 90/Die Grünen und später für die PDS in der Bezirksverordnetenversammlung Treptow-Köpenick saß. Die Brunnengalerien laufen teils parallel zu Straßen, für die es teilweise keine Transportverbote für Gefahrgut gibt. Laut Wasserbehörde sind sie für Anliegertransporte frei. Transportverbote gibt es auch nicht für die Bahntrasse, auf der Güterzüge fahren. "Historisch gewachsen" sei diese Verflechtung. Nach 1990 forderte ein Senatsbeschluss den schutzzonengerechten Ausbau der Straßen, dafür wie auch für die Finanzierung sind die Bezirke zuständig. Geradezu als Renommierprojekt gilt der Müggelseedamm, an dem auch das Wasserwerk Friedrichshagen liegt. Der wurde in den 90er Jahren mehrschalig ausgebaut und ist durch besondere Leitplanken gesichert.

Trotzdem wird weiterhin eine Tankstelle in Rahnsdorf über die Fürstenwalder Allee, offenbar von Erkner aus, beliefert. Entlang dieser bislang nicht entsprechend gesicherten Straße verlaufen Brunnengalerien des Wasserwerkes Erkner.

Was geschieht, wenn doch einmal ein Tankwagen in einen Unfall verwickelt ist? "Dann müsste man so schnell wie möglich ausreichend Bagger anfahren, um den Boden entsprechend tief auszuheben", erklärt Stephan Natz, Pressesprecher der Berliner Wasserbetriebe. Die dann gefährdeten Brunnen könnten schnell abgestellt werden. Eine reale Gefahr durch solche Vorfälle sehen Wasserbetriebe und auch die Wasserbehörde eher nicht. Die Brunnen würden in kurzen Abständen "beprobt", die Qualität des Wassers in den Wasserwerken werde jede Sekunde auf sechs Parameter gemessen. Die drei großen Wasserwerke Berlins, zu denen auch das Friedrichshagener gehört, verfügen über einen Dreifach-Schutz für alle Fälle. Also alles bestens, kein Grund zum Aktionismus, wie es aus den Wasserbetrieben heißt?

Nicht erst handeln, wenn etwas passiert ist

Gegen alle möglichen Gefahren kann man nicht vorsorgen, so die Verfechter des Status quo. "Man muss aber nicht erst handeln, wenn etwas passiert ist", wendet Harald Wiener ein. Welche gravierende Folgen schon ein Unfall haben kann, zeigte sich im letzten Dezember in Thüringen: Ein Tanklastzug verunglückte bei Mühlhausen, dort sickerten 6.000 Liter Diesel ins Erdreich, bis in fünf Meter Tiefe drang das Öl in den Boden. Die Straße musste abgetragen, der Grund bis auf sechs Meter tief ausgebaggert werden. 4.850 Tonnen kontaminierter Boden waren zu entsorgen. Die Arbeiten dauerten drei Monate, die Kosten beliefen sich schließlich auf 600.000 Euro.

Postrach und Wiener, die beiden Männer aus dem Allende-Viertel in Berlin Köpenick wollen an ihrem schwierigen Thema dranbleiben und hoffen auf Verbündete aus Umweltschutz und Politik. Notfalls wollen sie sich an EU-Gremien wenden. Schließlich erreichten sie, dass die personell schmal gehaltene Berliner Wasserbehörde, die der Senatsverwaltung für Umwelt unterstellt ist, sie Ende vergangenen Jahres zu einem Gespräch empfing.

Die beiden Köpenicker bekamen den Eindruck, dass auch die Behörde manche ihrer Sorgen teilt, aber mangels eigener Finanzierung nicht alles Notwendige umsetzen kann. Gefragt ist die Berliner Politik, die Parteien müssten ihre Verantwortung für das hohe Schutzgut Trinkwasser entschiedener wahrnehmen. Angesichts vieler anderer auf Verschleiß gefahrener Ressourcen in der Stadt eine große Herausforderung.

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Quelle:
DER RABE RALF
26. Jahrgang, Nr. 187, Seite 12
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. September 2015

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