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SCHADSTOFFE/120: Besonders hohe Pestizidkonzentrationen in der Fuhse (BUND NI)


BUND Landesverband Niedersachsen e.V. - Hannover, 24. Februar 2015

Besonders hohe Pestizidkonzentrationen in der Fuhse

BUND fordert Wasserbehörden und Landwirtschaft zum sofortigen Handeln auf: flächendeckendes Pestizidmonitoring in niedersächsischen Gewässern notwendig


Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) hat vor kurzem seine 2013 durchgeführten Untersuchungen zu 228 Pflanzenschutzmittelwirkstoffen an jeweils einer Messstelle an vier Gewässern in Niedersachsen veröffentlicht. Neben dem Bruchgraben bei Hildesheim und der Fuhse, die im Landkreis Wolfenbüttel entspringt und bei Celle in der Aller mündet, wurden angesichts der besonderen Bedingungen im Obstbau auch am Schöpfwerkskanal Hollern und der Steinkirchener Neuwettern im Alten Land östlich von Stade Proben genommen.

Insbesondere in der Fuhse wurden erneut hohe Einträge von Pestiziden festgestellt. Zwei Insektizide fallen dabei besonders auf, die die geplanten Umweltqualitätsnormen weit überschreiten. So wurden laut NLWKN in der Fuhse bei Peine die Insektizide Thiacloprid und Imidacloprid mit einer bis zu 4.500 bzw. 6.500-fachen Konzentration über der Bestimmungsgrenze festgestellt.

"An der Fuhse müssen sofort weitere Einträge von Pflanzenschutzmitteln in diesem Jahr verhindert und geeignete Maßnahmen dazu seitens der zuständigen Behörden ergriffen werden", so Carl-Wilhelm Bodenstein-Dresler, Landesgeschäftsführer vom BUND Niedersachsen. "Die Untersuchungen geben auch Anhaltspunkte dafür, dass womöglich auch in viele andere Gewässer Pflanzenschutzmittel gelangen. Um dies zu überwachen braucht es ein flächendeckendes Monitoring", so der Umweltschützer weiter.

Daher fordert der BUND:

  • Mehr Schutz für die Gewässer durch strenge Kontrollen des Pestizideinsatzes.
  • Strenge Kontrolle und strikte Ahndung von Verstößen.
  • Mehr Transparenz seitens Landwirtschaft, Landwirtschaftskammern und
  • Landhandel über den Einsatz von Pestiziden.
  • Flächendeckendes Monitoring von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen und deren Abbauprodukten in niedersächsischen Gewässern.
  • Verbot des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln im gesetzlichen 5 Meter breiten Gewässerrandstreifen.
  • Reduktion des Pestizideinsatzes.

Schon im Jahre 2011 hat es Untersuchungen gegeben, bei denen nur nach Herbiziden (Unkrautbekämpfungsmittel) und Fungiziden (Pilzbekämpfungsmittel) gesucht wurde, die im Zuckerrübenanbau Anwendung finden, für die diese Region bisher bekannt ist. Hier waren die dafür vorgesehenen Pestizide in erhöhten Konzentrationen in der Fuhse aufgefallen. Kontrolluntersuchungen des NLWKN bestätigten erneut diese Belastungen 2014. Mit den jetzt veröffentlichten Untersuchungen des NLWKN wird deutlich, dass diese schon länger bekannten Probleme nach wie vor nicht behoben sind. "Pestizide haben in Gewässern nichts zu suchen", so der Gewässerbiologe und Vorstandsmitglied des BUND Region Hannover Gerd Wach. "Die zuständigen Unteren Wasserbehörden Salzgitter, Peine, Hannover und Celle müssen hier eingreifen und weitere Einträge schon in diesem Jahr unterbinden!" Die Landwirtschaft sei gefordert, mitzuhelfen, die Quellen der Gewässerverschmutzung zu klären, so Wach. Dass derartige Kontaminationen direkten Einfluss auf die Lebensgemeinschaften im Fluss haben können, zeigen drastisch die Kartierungen der Fließgewässerfauna aus dem Jahr 2011. Das Resümee des NLWKN in seinem Bericht: das Artenspektrum in der Fuhse ist stark reduziert und auf manchen Strecken "ist die Fuhse nahezu verödet".

Um Konzentrationen im Mikrogrammbereich und geringer (1 Mikrogramm ist eintausendstel Milligramm) zu messen und um die ganze Palette möglicher zugelassener Pestizidwirkstoffe und ihrer Abbauprodukte zu erfassen, sind teure und langwierige Analysen notwendig. "Um diesen Aufwand zu reduzieren, müssen Landwirte, Landwirtschaftskammern und Landhandel Angaben über den Einsatz von Pflanzenschutzmittel in ihren Gebieten zur Verfügung stellen, damit ein schnelleres und effizienteres Monitoring möglich wird" so Tilman Uhlenhaut, Landwirtschaftsreferent des BUND Landesverbands Niedersachsen.

Neonikotinoide - dürfen seit 2008 nicht mehr zur Saatgutbeizung von Mais angesetzt werden. Die folgenden Wirkstoffe gehören zu der Gruppe der sogenannten Neonikotinoide, von denen bis auf weiteres ab Oktober 2013 drei Wirkstoffe für einen Teil ihrer Anwendungen auf europäischer Ebene verboten wurden. Neonikotinoide werden verwendet zum Einsatz gegen Befall durch Insekten, sie werden über die Pflanzenwurzel aufgenommen und Schädigen das Nervensystem von Insekten.

Clothianidin, Thiamethoxam, Imidacloprid sind ab 1.12.2013 für die Anwendung in allen bienenrelevanten Kulturen für zwei Jahre verboten. Da die Messungen des NLWKN von Februar bis September 2013 durchgeführt wurden, sind die Werte vor den Anwendungsverboten erhoben. Thiacloprid fällt derzeit nicht unter das Verbot und Imidacloprid darf nach wie vor z.B. im Wintergetreide eingesetzt werden.

Imidacloprid wurde von der Bayer AG entwickelt. 25-100 t Wirkstoff wurden laut Bericht über den Absatz an Pflanzenschutzmitteln in der Bundesrepublik Deutschland gemäß § 64 Pflanzenschutzgesetz für das Jahr 2013 im Inland verwendet. Der Wirkstoff gilt als wirtschaftlich erfolgreichstes Produkt der Bayer CropScience und wurde 2013 in ca. 120 Länder in der Größenordnung von 1000-2500 t exportiert. Imidacloprid, wie auch die Wirkstoffe Clothianidin und Thiamethoxam, dürfen ab Oktober 2013 nicht mehr zur Rapssaatgutbeizung und im Haus- und Kleingartenbereich eingesetzt werden.

Thiacloprid - fällt nicht unter das Anwendungsverbot. Es wurde ebenfalls von Bayer CropScience entwickelt, 250-1000 t werden ausgeführt und 100-250 t im Inland verwendet; in Deutschland und der Schweiz ist Thiacloprid, meist in Form von Sprays oder Suspensions-Emulsionen, gegen eine Vielzahl von beißenden und saugenden Insekten auch zur Verwendung im Haus- und Kleingarten zugelassen. Thiacloprid ist ein vielverwendetes Neonikotinoid und willkommener Ersatz für die seit Ende Dezember 2013 verbotenen Stoffe. Seit 2007 wird vom deutschen Bienenmonitoring im Bienenbrot am häufigsten Thiacloprid aufgefunden. Nach Forschungen von Menzel et al (FU Berlin) (2014) beeinträchtigt Thiacloprid das Lernvermögen und die Orientierungsfähigkeit der Honigbienen erheblich.


Weiterführende Informationen finden Sie hier: Untersuchung auf ausgewählte Pflanzenschutzmittel im Einzugsgebiet der Fuhse Bestandsaufnahme 2011 (Oberirdische Gewässer Band 34 Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz) 2-2013
http://www.nlwkn.niedersachsen.de/wasserwirtschaft/fluesse_baeche_seen/fliessgewaesserguete/fliegewaesserguete-in-niedersachsen-109987.html

http://www.bund.net/aktiv_werden/aktionen/bayer_stopp_bienene_pestizide/

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Quelle:
Presseinformation vom 24.02.2015
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V.
BUND Landesverband Niedersachsen
Goebenstr. 3a, 30161 Hannover
Tel.: 0511/965 69-0, Fax: 0511/662 536
E-Mail: presse.nds@bund.net
Internet: www.bund-niedersachsen.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Februar 2015

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