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TIPS/025: Alles Pflaume, oder was? (SB)


Alles Pflaume, oder was?


Im Norddeutschen gibt es den Begriff "Pflaumenpfingsten". "Wie bitte...?" wird da wohl mancher fragen, "seit wann sind denn die Pflaumen zu Pfingsten reif?!" Tatsächlich niemals, und genau das ist der Punkt: Sollte jemand einen Termin auf "Pflaumenpfingsten" legen, will er den betreffenden buchstäblich auf den "Sankt-Nimmerleins-Tag" vertrösten.

Je nach Sorte reifen die blauen, violetten, grüngelben oder roten Pflaumen nämlich erst weit nach Pfingsten, von Anfang Juli bis in den Oktober hinein. Die Hochzeit liegt aber im August. Ob Kuchen mit Schlagsahne, Mus auf crossem Toast, Kompott zum Vanillepudding oder getrocknet als schonendes Abführmittel erweisen sie als wahre Tausendsassa in gesundheitlicher wie ernährungstechnischer Hinsicht.

Pflaumen, Mirabellen, Renekloden, Zwetschen - der kleine Unterschied ...

Es soll zeitweise einmal so viele Pflaumensorten gegeben haben, daß man im 18. Jahrhundert durch polizeilich angeordnete Zuchtverbote versucht hat, wieder eine Übersicht zu gewinnen. Heute zählt man etwa 2.000 verschiedene, wovon hierzulande gut 20 im Handel erhältlich sind. Im wesentlichen teilt man sie in die vier Unterarten Eierpflaume, Mirabelle, Reneklode und Zwetsche auf. Hier eine kleine Unerscheidungshilfe, wobei es zu bedenken gilt, daß die Übergänge in puncto Farbe, Größe, Form, Konsistenz, Geschmack, mit oder ohne Fruchtnaht sowie Steinlösbarkeit fließend sind.

Die "gewöhnliche" Eierpflaume

Die klassische Pflaume reift in der Regel früher als die anderen, ist rundlich, das Fleisch meist goldgelb und sehr saftig. Der Kern läßt sich schwer herauslösen und an der Schale erkennt man eine auffällige Bauchnaht. Neben der typischen blau-violetten Färbung gibt es sie auch in rot und gelb.

Verwendung: Da Pflaumen erst ausgereift ihr volles Aroma entfalten und nach dem Pflücken kaum noch nachreifen, dürfen sie nicht zu jung auf den Markt kommen. Der richtige Reifegrad läßt sich daran bemessen, daß sie auf Druck ein wenig nachgeben. Aufgrund ihres sehr weichen Fruchtfleisches ist die Eierpflaume als Kuchenbelag (auch wegen der mühsamen Entkernung) nicht zu empfehlen. Sie läßt sich roh nicht lagern und eignet sich deshalb am besten zum sofortigen Verzehr.

Zwetsche

Die Zwetsche ist länglicher und in der Regel größer als die Pflaume, hat spitze Enden, ein festes, grünliches Fruchtfleisch, der Stein läßt sich gut lösen und die Bauchnaht fehlt - jedenfalls meistens. Es gibt aber auch Zwetschen mit Bauchnaht, ebenso sitzt auch bei manchen Zwetschensorten der Kern fester im Fruchtfleisch. Im Geschmack sind die länglich-ovalen Früchte etwas säuerlicher als Eierpflaumen und nicht ganz so saftig.

Verwendung: Aufgrund ihres festen Fruchtfleisches ist die Zwetsche der Favorit beim Kochen und Backen, denn sie zerfällt im Kochtopf nicht und weicht den Kuchenteig nicht auf. Spätzwetschen sollen den ersten Frost abbekommen, denn der schließt das Zellgewebe auf und macht sie noch süßer. Vor allem die späteren Sorten sind relativ robust und lassen sich im Kühlschrank gut eine Woche lagern, sofern man ihren weißlichen Belag, den sogenannten "Duftfilm", intakt läßt. Übriges: Kenner meinen, es gibt das allerbeste Mus, wenn ihr spitzes Ende schon faltig ist.

Mirabelle

Die Saison der Mirabellen ist nur sechs Wochen lang, von Mitte August bis Ende September. Diese Frucht läßt sich vor allem geschmacklich und in der Größe von ihren "Artgenossen" unterscheiden, bei letzterem ähnelt die dunkelrote Vertreterin dieser Art sogar der Kirsche. Aber auch bei Mirabellen gibt solche und solche, neben den bekannten gelben, kugelrunden findet man auch ovale Sorten (manche beinahe so groß wie eine Zwetsche), und das Farbspektrum reicht von pflaumenfarben violett über dunkelrot bis gesprenkelt und orange. Auch das Unterscheidungsmerkmal "schlecht vom Kern lösbar" gilt nicht für jede Mirabelle: bei vielen Sorten fällt einem der Kern nach dem Aufschneiden - ähnlich wie bei der Zwetsche - fast schon entgegen. In puncto Lagerfähigkeit gleicht sie wieder der Eierpflaume und hält sich selbst im Kühlschrank kaum länger als zwei bis drei Tage.

Verwendung: Ihr festes Fruchtfleisch ist zum Kochen, etwa zu Marmelade, Chutney oder Kompott, bestens geeignet. Manche Sorten lassen sich auch gut verbacken.

Reneklode

Diese mittelgroße Frucht unterscheidet sich von den "gewöhnlichen" Pflaumen durch ihrem aromatischen, süßlich-herben Geschmack. Meist grünfarben, gibt es sie (ebenso wie Mirabelle und Pflaume) auch im gelben, roten oder violetten Gewand. Die Reneklode hat eine ausgeprägte Bauchnaht, ist sehr saftig und der Stein löst sich - meistens - schlecht heraus.

Verwendung: Als Kuchenbelag und für eine lange Lagerung ist sie nicht geeignet, die Reneklode läßt sich jedoch hervorragend zu Konfitüre oder Kompott verarbeiten - oder einfach roh essen.


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Fazit: Das Spektrum dieser Vertreter der zu den Rosengewächsen zählenden Steinobstfamilie ist so groß, daß man sich schon mal in der Bestimmung irren kann, und jeder, der lauthals die bekannten Unterscheidungskriterien propagiert, wird bei gründlicherer Auseinandersetzung mit der Materie schnell begreifen, auf welch wackeligem Boden er steht.

Klarer dagegen lassen sich diese Pflaumen-Unterarten hinsichtlich ihrer Herkunft bestimmen, wie eine kleine Namensanalyse zeigt. Nimmt man einmal die Urpflaume, die am kaspischen Meer ihre Heimat hat, als Ausgangspunkt, führt ihr Weg nach Damascus, jene uralte Stadt, die schon vor vielen hunderten von Jahren als Zentrum des Pflaumenhandels galt. Hier läßt sich auch die etymologische Wurzel des Begriffs Zwetsche ansiedeln. Der Name Zwetsche (je nach Region sagt man auch "Quetsche", "Zwetschge", oder in Österreich "Zwetschke") kommt von dort und ist das verballhornte Wort für "Damascener".

Vom Kaspischen Meer ging es also ans Mittelmeer, und von dort, wie es in Geschichtsbüchern heißt, mit den Eroberungszügen Alexander des Großen, nach Europa, wo die Pflaume immer wieder neue Kreuzungen mit fremden Früchten erfuhr. Wahrscheinlich aus dem südfranzösischen Städchen Mirabeau (Latein: "Mirabella") stammt die "Mirabelle", deren Kultivierung sich dort bis 15. Jahrhundert zurückverfolgen läßt. Ebenfalls aus Frankreich stammt die Reneklode, auch Reineclaude genannt. Sie verdankt ihren Namen der Königin Claude (1494-1547), Gemahlin des französischen Königs Franz I.

17. August 2009