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BERICHT/102: Damals in Laos - Fahrten in befreite Gebiete 1968-1970 - 4. Teil (Irene und Gerhard Feldbauer)


Damals in Laos
Erinnerungen an unsere Fahrten in die befreiten Gebiete von Laos (1968-1970)

Teil 4 und Schluß: In den Bergen der Meo [1]

von Irene und Gerhard Feldbauer, Mai 2020



Foto: Axel / CC BY-SA (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/) via Wikimedia Commons

Luang Prapang, Hauptstadt der gleichnamigen Provinz im bergigen Norden von Laos, Königsstadt bis zur Abschaffung der Monarchie 1975 (vom rechten Mekongufer aus gesehen)
Foto: Axel / CC BY-SA (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/) via Wikimedia Commons

Während unseres dritten Aufenthalts in den Pathet Lao-Gebieten weilten wir wieder drei Tage bei den Meo. An einem frühen Morgen brachen wir aus einem der Hochgebirgstäler auf, hinauf zu den 2000 Meter hohen Gipfeln, wo sich die Ansiedlungen dieser Bergstämme befanden. Stundenlang marschierten wir über schmale Bergpfade, passierten schwindelerregende Hängebrücken, die sich über Schluchten spannten, und suchten an wildbewachsenen Berghängen Deckung, wenn amerikanische Flugzeuge auftauchten und ihre Bomben abwarfen.

Als wir schweißnass und erschöpft am Nachmittag ankamen, empfing uns die vielgerühmte Gastfreundschaft der Meo, denn unsere Begleiter stellten uns als Freunde der NLH vor. Nach einer Ruhepause saßen wir mit dem Ältesten des Dorfes in einer der Pfahlbauten am glimmenden Feuer, tranken scharfen Kräutertee, hochprozentigen selbstgebrannten Reisschnaps und knabberten geröstete Maiskörner. Dabei hätten unsere Gastgeber, wollte man der proamerikanischen Propaganda in Vientiane glauben, uns zumindest sofort gefangen nehmen und das USA-Kommando in Long Cheng informieren müssen. Denn nach US-Darstellung kämpften alle Meo auf der Seite der laotischen Generäle von Vientiane.


Fotos: © by Irene Feldbauer Fotos: © by Irene Feldbauer

Der Autor bei der Überquerung eines Flusses (links) - Pfahlbauten der Meo (rechts)
Fotos: © by Irene Feldbauer

Während unseres Aufenthalts konnten wir uns ein Bild von ihrer wahren Haltung im Kampf für ein freies Laos bilden. Wir hatten aber auch hochinteressante Erlebnisse, die vor allem mich manchmal in die Zeit jugendlicher Indianerträume zurückversetzten und Bilder aus Karl May-Erzählungen lebendig werden ließen. Die etwa 300.000 Meo, in der Landessprache Lao Soung genannt, lebten nahezu ausschließlich in den nördlichen Bergregionen des Landes, in einem Gebiet von annähernd 100.000 km². Sie bevölkerten es zusammen mit ungefähr ebenso vielen Lao Teung und einigen Zehntausend Lao Loum, den beiden anderen Nationalitäten in Laos. Die Meo waren meist noch Halbnomaden, die Brandrodung für ihren Reisanbau betrieben und teilweise noch in urgemeinschaftlichen Stammesformen lebten. Bis vor einigen Jahrzehnten hatten sie kaum Kontakte zur modernen Zivilisation gehabt. Weit verbreitet waren noch Geisterglaube und Totenkult. Als Opiumanbauer unterhielten sie seit jeher Handelsbeziehungen zu weiten Gebieten Südostasiens. Vor allem aber rühmte man sie als kühne Jäger, tapfere Krieger und zuverlässige Waffengefährten.

Ihre gesellschaftliche Zurückgebliebenheit wie auch ihre kriegerischen Eigenschaften machten die Meo in den Augen der US-Invasoren zu einem geeigneten Verbündeten in ihren Plänen, ganz Laos in eine proamerikanische Halbkolonie und Aufmarschbasis gegen Vietnam zu verwandeln. Durch den Aufkauf des Opiums, bei dem sie das Fünfzigfache verdienten, Waffen- und Nahrungslieferungen, hohe Zuwendungen an die Stammesführer sowie andere Korrumpierungsmethoden und immer wieder Erpressung und Terror war es ihnen gelungen, das berüchtigte Vang Pao-Korps zu rekrutieren. Unsere Gesprächspartner nannten sie immer nur die Banditenarmee.


Foto: © by Irene Feldbauer

Versammlung der Meo zur Begrüßung des Korrespondenteams Irene und Gerhard Feldbauer
Foto: © by Irene Feldbauer

Drei Überläufer erzählten uns, wie sie unter die Söldner Vang Paos geraten waren. Die Werber der CIA, die auch in ihr Dorf kamen, versprachen, sie nach Vientiane zu fliegen, wo sie leichte Arbeit finden, gutes Geld verdienen und ein schönes Leben führen könnten. In ein, zwei Jahren sei man ein reicher Mann und könne ins Dorf zurückkehren. Sie kamen in ein Kommando, wo sie bald die Wirklichkeit kennen lernten. Vom Ausfliegen nach Vientiane war keine Rede mehr, an ein Verlassen des schwer bewachten Camps nicht zu denken. Wer das versuchte, wurde kurzer Hand erschossen. Meist waren die Familien ihren rekrutierten Männern gefolgt, die nun erpresst wurden, wenn die Väter und Söhne sich nicht fügen wollten. Sie erhielten keine Verpflegung, Frauen und Mädchen wurden entführt, in Bordelle verschleppt, Misshandlungen und sogar Folterungen waren an der Tagesordnung. Unsere Gesprächspartner waren nach hartem Drill in der Schlacht in der Ebene der Tonkrüge eingesetzt gewesen, wo sie zur Pathet Lao überliefen. In ihrem Dorf waren fast 100 Männer den Werbern in die Hände gefallen. 80 von ihnen waren zurückgekehrt.

Ein Bonze erzählte uns, warum er sich der NLH angeschlossen hatte, in der nicht wenige eigentlich Atheisten waren. In unserem Tagebuch habe ich damals notiert, was er sagte: "Die buddhistische Religion fordert von uns den Dienst am Menschen. Wir Bonzen wollen seit jeher eine gesundheitliche Betreuung für die Menschen, wir wollen, dass jeder Mensch lesen und schreiben kann, er auch die anderen Schätze des Wissens und der Bildung, die reiche Kultur seiner Vorfahren kennen lernt. Wir wollen aber auch, dass jeder genug zu essen hat und eine Hütte zum Schlafen. Das zu verwirklichen haben uns Priestern immer die Mittel und Möglichkeiten gefehlt. Die Neo Lao Haksat aber verwirklicht diese Punkte, was auch wir Buddhisten uns wünschen. Und sie respektiert unseren Glauben. Deshalb arbeiten wir mit ihr zusammen, verwirklichen gemeinsam ihr Programm, denn es ist ein gutes Programm, ein Programm für das Volk." Dazu trug auch bei, dass der Buddhismus in Laos, wie auch in anderen Ländern Asiens, meist keine abgekapselte Priesterkaste hervorgebracht hatte. Eine Bonze konnte, nachdem er als Priester gedient hatte, aus der Pagode austreten und wieder ins weltliche Leben zurückkehren. Umgekehrt waren die Bedingungen für den Eintritt in die Pagode durchweg rein sittlicher Natur. Selbst dem ärmsten Bauernsohn stand die Laufbahn zum Priester offen.


Foto: Ekrem Canli / CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0) via Wikimedia Commons

Jahrhundertealte buddhistische Traditionen in Laos - hier der Xieng Thong Ratsavoravihanh des Tempels Wat Xieng Thong in Luang Prabang, der einstigen Residenz des Oberhaupts des laotischen Buddhismus
Foto: Ekrem Canli / CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0) via Wikimedia Commons

Wie in Südvietnam gerieten die Buddhisten wegen ihrer Volksverbundenheit auch in Laos ins Räderwerk des Terrors der Amerikaner und ihrer Vientianer Söldlinge. Obwohl viele von ihnen nichts mit der NLH zu tun hatten, wurden sie nur deshalb, weil sie das proamerikanische Regime ablehnten, verfolgt, eingesperrt, viele umgebracht, ihre Gotteshäuser zerstört. Vor der Verfolgung flüchteten über 4.000 Gläubige in die Pathet Lao-Gebiete, wo sie frei und ohne Hindernisse ihrer Religion nachgehen und am Aufbau eines neuen Lebens teilhaben konnten. Wir fanden Buddhisten als Lehrer und Ärzte, in Industriebetrieben und selbst im Verwaltungsapparat. Viele Buddhisten traten auch den Pathet Lao-Einheiten bei und einige Bonzen tauschten vorübergehend das Priestergewand mit der khakifarbenen Uniform. Und das, obwohl ihnen ihre Religion eigentlich den Wehrdienst untersagte.


Sieg auch in Vientiane

Wie schon zweimal, nach 1945 und 1954, wirkte sich der Sieg des vietnamesischen Volkes 1975 günstig auf den Kampf der NLH in Laos aus. Die Pathet Lao-Streitkräfte stießen mit Unterstützung ihrer vietnamesischen Verbündeten aus den Bergen in die Ebenen vor, befreiten eine Provinz nach der anderen von der proamerikanischen Herrschaft und marschierten am 23. August 1975 in Vientiane ein. Nachdem der König eingewilligt hatte abzudanken, rief der Nationalkongress der Volksvertreter am 2. Dezember 1975 die Volksdemokratische Republik Laos aus, an deren Spitze Souphanouvong als Präsident gewählt wurde. Aus der Patriotischen Front Neo Lao Haksat, in der alle Volksschichten vertreten waren, ging die Laotische Revolutionäre Volkspartei hervor.


Fotos: © by Irene Feldbauer Fotos: © by Irene Feldbauer

Prinz Souphanouvong, ab 1975 erster Präsident der Volksdemokratischen Republik Laos, schenkte 1970 dem Journalistenteam Irene und Gerhard Feldbauer bei ihrem Besuch in den befreiten Gebieten ein Foto von sich und seiner Frau (links), auf der Rückseite eine persönliche Widmung (rechts)
Fotos: © by Irene Feldbauer


Anmerkungen:

[1] In der Reihe "Damals in Laos - Fahrten in befreite Gebiete 1968-1970" sind bereits folgende Berichtteile des Journalistenteams Irene und Gerhard Feldbauer erschienen:
Teil 1: In den Höhlen von Sam Neua
Teil 2: USA brachen auch Laos-Abkommen
Teil 3: In der Ebene der Tonkrüge

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Quelle:
© 2020 by Irene und Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autorenteams


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Juni 2020

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