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TOURTIP/868: Abenteuer in der Steinzeit (extratour - DJH)


Deutsches Jugendherbergswerk - extratour Nr. 5, September/Oktober 2007

Historische Erlebnisprogramme
Abenteuer in der Steinzeit

Von Maike Kaijo


Lederzelt statt Klassenzimmer, Fladenbrot statt Pommes und Büffelfell statt Jeans: Die Klasse 5a der Paul-Gerhardt-Schule aus Dassel in Niedersachsen nahm am Programm "Steinzeittage" der Jugendherberge Oerlinghausen teil. Im Archäologischen Freilichtmuseum Oerlinghausen reisten die Schüler für einen Tag zurück in die Steinzeit und sammelten wertvolle und spannende Erfahrungen.


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"Hurra, es funktioniert - das hier sieht aus wie Mehl", ruft Carina begeistert. Zusammen mit ihren Mitschülern hockt die Elfjährige auf dem Boden einer steinzeitlichen Behausung und zermahlt mithilfe von zwei Steinen Weizenkörner. Langsam verwandeln sich die Körner nicht nur bei Carina in weißes Mehl. "Puh, aber meine Knochen merke ich allmählich doch", seufzt Klassenkameradin Elsa. Für einen Tag erleben die Schüler die Steinzeit hautnah: Sie versetzen sich in die Lage ihrer Vorfahren und erproben deren Arbeitsweisen. Und erfahren so am eigenen Leib, wie anstrengend das Leben vor vielen Tausend Jahren sein konnte. Beispiel Brotbacken: Da müssen zunächst die Körner zu Mehl zerrieben werden. Und zwar auf dem Fußboden, denn die Steinzeitmenschen kannten weder Tisch noch Stuhl. Nach einer Viertelstunde ist es dann auch genug. Die Schüler schütteln ihre schmerzenden Glieder aus, und Museumsmitarbeiterin Ulrike Riedel fegt das gewonnene Mehl in eine Schüssel. "Gut gemacht, aber ich fürchte, zum Sattwerden reicht es noch nicht", schmunzelt sie. Und schüttet etwas "Mogelmehl" aus einer neuzeitlichen Tüte hinzu. Dann vermischt sie das Ganze mit Wasser, knetet es zu einem Teig und gibt es den Schülern, die daraus viele kleine Fladen formen und diese in das offene Feuer legen, das in der Mitte des Hauses flackert. Zehn Minuten später ist das knusprige Brot fertig zum Reinbeißen: "Schmeckt gar nicht schlecht", lautet die einhellige Meinung.


Vom Lederzelt zur Hofanlage

"Unser Museum lädt zum Anfassen und Mitmachen ein", erläutert Museumspädagogin Jutta Deitermann. "Nach den Prinzipien der handlungsorientierten Pädagogik können die Schüler bei uns experimentieren, ausprobieren, und miterleben. Sie vertiefen so den theoretischen Unterrichtsstoff - und haben obendrein eine ganze Menge Spaß dabei." Der Tag im Museum beginnt mit einer Führung durch das liebevoll gestaltete Freilichtgelände. Jutta Deitermann: "Unser Rundgang ist chronologisch aufgebaut. Er beginnt bei den rekonstruierten Lederzelten, in denen die Menschen der Altsteinzeit hausten. Weiter geht es zu den ersten Hütten der Mittelsteinzeit und den festen Behausungen der Jungsteinzeit. Es folgen die erste Siedlung, wie sie zur Zeit der römischen Besatzung entstand, die Häuser der Bronzezeit und schließlich eine sächsische Hofanlage. Sogar die Vegetation rund um die Hütten ist der jeweiligen Epoche nachempfunden. So steht das Lederzelt der Altsteinzeitler, die während der Eiszeit lebten, inmitten einer Tundralandschaft mit Moosen, Flechten und Birken.


Pfeilschnelle Experimente

"Nach der theoretischen Einführung kribbelt es den meisten Schülern in den Fingern, aktiv zu werden", lacht Ulrike Riedel. "Daher gehe ich anschließend mit ihnen zum Speerwerfen auf den großen Übungsplatz im Wald." Auch Carina, Elsa und ihre Mitschüler aus Dassel haben sich hier eingefunden. "In der Altsteinzeit lebten in Westfalen Büffel, Mammuts und Rentiere", erklärt Ulrike Riedel den Fünftklässlern. Unsere Vorfahren jagten sie mit selbst geschnitzten Speeren aus Holz. Damit sie weiter flogen, benutzten sie eine Speerschleuder - eine Art Verlängerung des Armes." Wie das funktionierte, probieren die Schüler gleich selbst aus. Die ersten Versuche landen zwar nach wenigen Zentimetern auf dem Boden, aber nach und nach haben die Kids den Bogen raus: Die Speere zischen gerade und pfeilschnell durch die Luft. Die Speerschleuder ist dabei eine große Hilfe, wie Dennis feststellt: "Ich hab es einmal mit, einmal ohne probiert - mit Speerschleuder geht es tatsächlich besser. Wahnsinn, was die sich damals alles schon ausgedacht haben, um besser jagen zu können."


Schmuck für Frau Feuerstein

Dass es in der Steinzeit nicht nur um Jagd und Nahrungssuche ging, erfahren die Dassler beim nächsten Programmpunkt. "Dank archäologischer Grabungsfunde wissen wir, dass sich schon die frühen Menschen mit Ketten und Armbändern schmückten", erzählt Ulrike Riedel. "Aus der Erde gruben sie Ton, den sie zu Schmucksteinen formten und im Feuer brannten. Dann fädelten sie die Steine auf ein Lederband und voilà: Frau Feuerstein war ausgehfertig. Und genauso machen wir es jetzt auch." Mit Feuereifer kneten die Kids kleine Tonkügelchen, verzieren sie liebevoll und legen sie zum Brennen ins offene Feuer, das in der Mitte des Steinzeithauses flackert. Mit ihrer Klassenlehrerin Annett Schulze scharen sich die Fünftklässler um die Flammen und beobachten, wie sich der Ton langsam dunkel verfärbt.

"Übrigens haben die Steinzeitmenschen abends genauso um das Feuer herum gesessen, wie wir das jetzt tun", weiß Annett Schulze. "Wahrscheinlich erläuterten die älteren Menschen den jüngeren dabei wichtige Arbeitsweisen - wie man ein Tier häutet, ein Feuer entzündet oder einen Speer schnitzt - eben Dinge, die sie zum Überleben brauchten." Zwanzig Minuten später sind die Tonperlen fertig gebrannt und werden von den Schülern auf Lederbänder gefädelt. Elsa ist begeistert: "Super, dass wir die Ketten mitnehmen dürfen." Auch Annett Schulze zieht ein positives Fazit: "Das Thema Steinzeit steht auf dem Lehrplan der fünften Klasse, daher waren meine Schüler theoretisch gut vorbereitet. Aber dieses authentische Eintauchen in eine andere Welt kann ich ihnen im Klassenzimmer nicht bieten. Daher komme ich garantiert mit der nächsten Klasse wieder."


Von Römern und Rittern

Auch andere Jugendherbergen bieten die Möglichkeit, in Geschichte und Archäologie einzutauchen, etwa die Jugendherberge Xanten. Im Archäologischen Park Xanten öffnet sich das Fenster in eine 2.000 Jahre alte Vergangenheit: Damals errichteten die Römer die Stadt "Colonia Ulpia Traiana". Die Schüler erleben hier den römischen Alltag hautnah, besichtigen original eingerichtete Räume und das Regionalmuseum. Unter Anleitung eines Museumspädagogen gießen die Teilnehmer Münzen, probieren römische Kleidungsstücke an und spielen ein Gesellschaftsspiel, mit dem sich schon Brutus und Co. die Zeit vertrieben. Ins Mittelalter entführt dagegen die Jugendherberge Heldrungen, die in einer alten Wasserburg untergebracht ist. In Rollenspielen schlüpfen die Teilnehmer in historische Gewänder. Viele weitere Programmpunkte machen die Zeitreise komplett. So erfordert ein Mittelalterturnier Mut und Geschick beim Bogenschießen, und bei einem Mahl wird stilecht getafelt.


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Die Epochen der Steinzeit

Steinzeit ist nicht gleich Steinzeit - die Lebensbedingungen der Menschen verschiedener Epochen unterscheiden sich grundlegend. Forscher unterteilen die Steinzeit in Mitteleuropa nachfolgenden Zeit- und Entwicklungsstufen:

Altsteinzeit (Paläolithikum)
Circa 2.500.000 bis 8.000 vor Christus

Auf der Erde herrscht Eiszeit. Mitteleuropa ist eine Tundralandschaft. Die Menschen schlafen in Höhlen oder Zelten und ziehen mit Tierherden umher. Hauptnahrung ist Fleisch. Sie nutzen Faustkeile als Werkzeuge. Es gibt Felsmalereien und Bestattungsriten.


Mittelsteinzeit (Mesolithikum)
Circa 8.000 bis 4.500 vor Christus

Das Erdklima erwärmt sich. Eine üppige Vegetation bietet pflanzliche Nahrung, neben dem gejagten Fleisch verzehrten die Menschen nun auch Beeren, Gemüse und Nüsse. Sie leben weiterhin als Nomaden, ihre Werkzeuge werden ausgereifter.


Jungsteinzeit (Neolithikum)
Circa 4,500 bis 1.800 vor Christus

Die Menschen bauen Häuser. Sie leben in Dorfgemeinschaften, halten Tiere und betreiben Ackerbau. Langsam entwickelt sich eine Arbeitsteilung. Die Jungsteinzeitler benutzen Beile und Äxte. Sie haben Tongefäße um Lebensmittel aufzubewahren.


Informationen:
JH Xanten, Telefon 02801 98500
JH OerLinghausen, Tel. 05202 2053
JH Heldrungen, Tel. 034673 91224

Eine Liste weiterer Programme zum Thema Archäologie/Geschichte finden Sie unter www.extratouronline.de


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Quelle:
extratour Nr. 5, September/Oktober 2007, S. 4-6
Die Zeitschrift für Mitglieder im Deutschen Jugendherbergswerk
Herausgeber: Deutsches Jugendherbergswerk DJH
Hauptverband für Jugendwandern und Jugendherbergen e.V.
Leonardo-da-Vinci-Weg 1, 32760 Detmold
Tel.: 05231/99 36-0, Fax: 05231/99 36-66
Internet: www.jugendherberge.de

Erscheinungsweise: zweimonatlich
Der Bezugspreis der Zeitung ist im
DJH-Mitgliedsbeitrag enthalten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. September 2007