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TOURTIP/909: Das Schaumburger Bergland in Niedersachsen (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 11/2008

Das Schaumburger Bergland in Niedersachsen
Vögel am nördlichen Rand der Mittelgebirge

Von Thomas Brandt, Cordula Jülch, Kilian Wasmer


Im Schaumburger Land, etwa 40 Kilometer westlich von Hannover, schiebt sich die Grenze der Mittelgebirge weiter nach Norden als anderswo in Mitteleuropa. Somit ist diese Region vor allem für norddeutsche Vogelbeobachter das nächstgelegene Ziel, um typische Mittelgebirgsarten zu beobachten. Dazu gehören Wasseramseln, Tannenhäher, Uhus und Gebirgsstelzen. Die beiden Erstgenannten leben hier an ihrer nördlichen Arealgrenze in Deutschland. Andere Vogelarten wie Uhu, Grauspecht und Gebirgsstelze kommen weiter nördlich in der norddeutschen Tiefebene nur noch vereinzelt oder unregelmäßig vor.

Das Schaumburger Bergland in der Nähe der Weserstadt Rinteln ist gut zu erreichen. Es liegt nur 30 Kilometer südlich des Steinhuder Meeres, sodass die Tour hervorragend mit einem Besuch des größten niedersächsischen Sees kombiniert werden kann (Falke 2005, H. 1).


Lebensräume

Das Schaumburger Bergland ist sehr vielgestaltig. Es umfasst Teile des Wesergebirges und grenzt an das FFH-Gebiet "Süntel, Wesergebirge, Deister" mit großflächigen Waldmeister-Buchenwäldern, Hainsimsen-Buchenwäldern, Schlucht- und Hangmischwäldern sowie Kalkfelsen. Der riesige Steinbruch "Messingsberg", in dem sich die "Erlebniswelt Steinzeichen Steinbergen" (ein Freizeitpark mit geologischem Schwerpunkt) befindet, liegt nahe dem FFH-Gebiet und ist Bestandteil des Vogelschutzgebietes "Uhubrutplätze im Weserbergland". Nur wenige hundert Meter nördlich des Steinbruchs durchfließt die - streckenweise naturnahe - Bückeburger Aue ein Tälchen mit extensiv genutzten Wiesen und Wäldern. Etwa 200 m westlich befindet sich der Ahrensburger Schlosspark mit mehreren kleinen Teichen. Nördlich des Tals erstrecken sich die bis zu 360 m hohen Bückeberge, die im Süden einen relativ großen Laubholzanteil aufweisen, nördlich des Kamms jedoch weitgehend mit Fichten aufgeforstet wurden.


Charakteristische Vogelarten

Das Schaumburger Land ist ornithologisch - vor allem aus arealkundlicher Sicht - besonders interessant. Den kleinen Landkreis Schaumburg durchzieht die Grenze zwischen Mittelgebirge und nordwestdeutscher Tiefebene und schließt Teile der niedersächsischen Börde ein. Er ist daher einer der wenigen Kreise, in denen man während der Brutzeit Seeadler, Uhus, Kraniche, Schwarzstörche, Große Brachvögel, Bekassinen, Grauspechte, Karmingimpel und Wasseramseln sehen kann. Im Steinbruch "Messingsberg" leben seit den achtziger Jahren Uhus (erster Brutnachweis 1987). Sie brüten seit mehreren Jahren in derselben Felsnische und sind von der gegenüberliegenden Kuppe mit einem Spektiv hervorragend zu sehen (s. u.). Im Steinbruch kann man auch regelmäßig äsende Mufflonherden beobachten (scheu!). Rotmilane brüten in dem Buchenwald östlich des Steinbruches. Im Abbaubereich nisten gelegentlich Flussregenpfeifer. Baumpieper und Hausrotschwänze singen überall.

An der Bückeburger Aue brüten nur wenige hundert Meter von der "Erlebniswelt Steinzeichen Steinbergen" entfernt mehrere Wasseramsel- und Eisvogelpaare. Gebirgsstelzen sind hier nicht zu übersehen. Das Fließgewässer gehört auch zum Nahrungsgebiet eines Schwarzstorchpaares. Im Buchenwald, der an die Aue grenzt, sind Hohltaube, Klein-, Grün-, Grau- und Schwarzspecht zu sehen. Die Nadelwälder der Bückeberge sind das nördlichste regelmäßige Brutgebiet von Tannenhähern in Deutschland (10 bis 20 Paare). Im Spätsommer fliegen die Tannenhäher gelegentlich aus den Bückebergen in die Dörfer und Tallagen, wo sie unter anderem Haselnüsse sammeln.

Das Gebiet bildet nicht nur die Arealgrenze verschiedener Vogelarten, sondern auch für weitere Tier- und Pflanzenarten. Im Steinbruch "Messingsberg", der auch für den Amphibienschutz eine hohe Bedeutung hat, kann man mit Glück auf Gelbbauchunken und Geburtshelferkröten treffen.


Reisezeit

Ein Ausflug in das Gebiet lohnt sich vor allem im Frühling. Von April bis etwa Ende Mai sind die jungen und alten Uhus im Steinbruch zu sehen. Danach haben die Jungvögel den engeren Nestbereich möglicherweise verlassen und sind tagsüber nur schwer in der Felswand zu finden. Die Tageseinstände der Altvögel wechseln häufig und sind nicht immer (leicht) zu sehen. Abends schließt der Park in der Regel bevor die Uhus aktiv werden. Im Winter ist die Erlebniswelt geschlossen.

An der Bückeburger Aue sind interessante Beobachtungen ganzjährig möglich. Wasseramseln sind immer leicht zu finden, wenn man das Gewässer sorgfältig beobachtet. Das trifft in der Regel auch auf die Eisvögel zu, die häufig an den Teichen im nahen Schlosspark Nahrung suchen. Man sollte die Vögel, die hier sehr scheu sind, nicht ganze Bachstrecken vor sich herjagen. Gebirgsstelzen sind ganzjährig anwesend, aber im Winter erheblich seltener. Im Frühling sind die Spechte auffällig. Dann suchen gelegentlich auch Waldwasserläufer an den Ufern der Aue nach Nahrung. Von April bis September sollte man auf Schwarzstörche achten. Zu dieser Zeit kann man auch Rotmilane, Mäusebussarde und gelegentlich Wespenbussarde beobachten.


Beobachtungsmöglichkeiten

Ein Großteil des Gebietes ist frei zugänglich. Um den Steinbruch "Messingsberg" betreten zu können, muss man allerdings eine Eintrittskarte für den kulturellen Freizeitpark "Erlebniswelt Steinzeichen Steinbergen" lösen. Dafür kann man dort von Ende März bis Juni fast mit Sicherheit (wild lebende) Uhus beobachten. Zudem hat man von dem zum Freizeitpark gehörenden Aussichtsturm "Jahrtausendblick" auf dem Kamm des Wesergebirges in südliche Richtung einen hervorragenden Blick auf das Wesertal und das Weserbergland.

Steinbruchroute: Uhus beobachtet man am besten vom Bistro der Erlebniswelt Steinzeichen aus. Das Bistro liegt auf einer Kuppe gegenüber der langen Steinbruchwand. Das Spektiv (dringend zu empfehlen) stellt man am besten in der Nähe des fest installierten (aber nur mäßig guten) Fernrohres auf. Schräg gegenüber lag in den letzten Jahren auf rund 2/3 der Wandhöhe der Uhuhorst in einer gut einsehbaren Felsnische. Der Besucherverkehr ist weit genug entfernt und scheint die Vögel nicht zu stören. Die Wand liegt noch in dem Teil des Steinbruches, der im Betrieb und somit nicht begehbar ist. Von oben, also auf dem Weg zum Aussichtsturm (Steinzeichen), kann man die Vögel nicht sehen. Von hier aus lassen sich jedoch verschiedene Sing- und Greifvögel beobachten. Auch von den Uhus abgesehen ist der Park, besonders für Familien mit Kindern, interessant. Er lässt sich am besten mit einem an der Kasse erhältlichen Übersichtsplan erkunden.

Bückeburger Aue: Diese Route führt vom Parkplatz der Erlebniswelt in die entgegen gesetzte Richtung über die Straße. Wenn man sich links hält, erreicht man in Höhe des Sportplatzes die Bückeburger Aue, die hier die Straße nach Obernkirchen unterquert. An der Straßenbrücke (Wasseramselnest darunter) geht man rechts in östliche Richtung an der Aue entlang (kostenfreier Parkplatz!), bleibt auf dem Weg, durchquert die alte Unterführung einer selten frequentierten Bahnstrecke und gelangt nach hundert Metern an eine kleine Brücke. Dies ist ein besonders gemütlicher Platz, um die typischen Fließgewässervögel zu beobachten. Etwas bachaufwärts, also jenseits der Brücke, gelangt man an einen renaturierten Gewässerabschnitt. Dieser ist ein Paradies für Limnologen, bietet aber auch eine Menge für Vogelbeobachter. Der Bereich lockt durchziehende Limikolen an, vor allem Waldwasserläufer. Man kann dem Bachlauf beliebig weit folgen, muss aber auf demselben Weg zurück.

Ahrensburger Schlosspark: Oberhalb des Sportplatzes gelangt man in den Park mit teilweise altem Baumbestand und alten Teichen. Hier kann man typische Singvögel sowie Eisvögel beobachten.

Bückeberge: Man erreicht sie von den beschriebenen Parkplätzen bergauf in Richtung Obernkirchen. An der Gaststätte "Süße Mutter" biegt man rechts und sofort wieder links ab. Die Straße führt mehrere Kilometer durch den Wald (meist Mischwald). Schließlich gelangt man an eine Gaststätte und ein Schulungszentrum. Auf dem Parkplatz gegenüber kann man kostenlos parken, von hier an ist die Straße für den öffentlichen Verkehr gesperrt. Folgt man ihr, kann man zur richtigen Jahreszeit Tannenhäher hören und - mit Glück - auch sehen. Besser ist es, wenn man die Wege nördlich des Zentrums abwandert, da diese durch Fichtenwälder führen, in denen die Häher brüten. Auch Fichtenkreuzschnäbel wird man hier zu Gesicht bekommen. Nur etwa 500 Meter östlich des Zentrums, also der gesperrten Straße zu Fuß folgend, erreicht man über eine Werkszufahrt die bekannten Obernkirchener Sandsteinbrüche. Hier gelangen 2007 sensationelle Funde von Dinosaurierfährten.


Weitere Freizeitmöglichkeiten

Eine schöne Tour kann man mit der Fahrraddraisine von Rinteln in das südlich der Weser liegende Extertal unternehmen (hier ebenfalls gute Beobachtungsmöglichkeiten von Wasseramseln und anderen Fließgewässervögeln). Infos und Buchungen sind über Pro Rinteln e.V. möglich (Tel.: 05751/958 255).

Die Erlebniswelt Steinzeichen Steinbergen bietet verschiedene Attraktionen, Mitmachangebote, Workshops etc. zu den Parkthemen "Faszination Stein" und "Wunder des Lebens".

In Rinteln gibt es ein Spaßbad und andere Freizeitmöglichkeiten, ein Besucherbergwerk liegt in Kleinenbremen (von dem hier beschriebenen Gebiet über Bad Eilsen erreichbar, ca. 10 km).

Etwa 30 km nördlich des hier beschriebenen Gebietes liegt das Steinhuder Meer, das wir im Falken 1/2005 vorgestellt haben. Das Artenspektrum dort ist typisch für die norddeutsche Tiefebene und somit ein komplett anderes. Es schließt Brutvögel wie See- und Fischadler, Bekassine, Großer Brachvogel, Knäk- und Löffelente, Bartmeise und Karmingimpel ein. Im Winter sind am See Tausende Wasservögel anwesend. In Rinteln liegen entlang der Weser eine Reihe von Kiesteichen, an denen man ebenfalls zahlreiche Wasservögel beobachten kann, unter anderem auch Silberreiher.


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Infomaterial/Literatur:

Brandt, T., L. Büttner & H. Küster (2005): Naturpfad Schaumburg - Landschaft und Natur entdecken. Zu Klampen Verlag, Springe.

Buschmann, H., B. Scheel & T. Brandt (2006): Amphibien und Reptilien im Schaumburger Land und am Steinhuder Meer. Natur & Text, Rangsdorf. 184 Seiten.

Otten, K. (2006): Bestandsentwicklung des Tannenhähers (Nucifraga c. caryocatactes) im Bückeberg (Landkreis Schaumburg). Vogelkundliche Berichte aus Niedersachsen 38: 101-110.



Anfahrt:

Mit Bahn und Bus:
Mit der Bahn kommt man bis Rinteln und per Bus weiter nach Obernkirchen. In Buchholz aussteigen. Von dort aus sind es nur wenige hundert Meter zu Fuß zur "Erlebniswelt Steinzeichen Steinbergen" bzw. an die Bückeburger Aue. Um in die Bückeberge zu gelangen, muss man weiter in Richtung Obernkirchen fahren und an der Gaststätte "Süße Mutter" aussteigen. Bis in die Tannenhäherbrutgebiete sind es aber noch etwa 2,5 km entlang der Straße.

Mit dem Auto:
Das Gebiet liegt direkt (beidseitig) an der A 2. Von Hannover wählt man die Ausfahrt Obernkirchen (vorsicht, dies ist nur eine Ausfahrt), fährt links und gelangt nach etwa 1 km zum Parkplatz der Erlebniswelt. An der gleich dahinter liegenden Ampel kann man rechts fahren und sofort wieder rechts auf einen kostenlosen Parkplatz, der weniger als 200 m Luftlinie von dem ersten Parkplatz entfernt liegt. Von Westen (Westfalen) kommend wählt man von der A 2 die Abfahrt Bad Eilsen, fährt rechts und folgt der Beschilderung zur Erlebniswelt Steinzeichen. Unterkunftsmöglichkeiten gibt es vor allem in Rinteln (5 km entfernt), Campingmöglichkeiten sind beispielsweise in Rinteln am Doktorsee vorhanden.

Adressen:

Erlebniswelt Steinzeichen Steinbergen, Ahrenburger Str. 4,
31737 Rinteln, OT Steinbergen, Tel.: 05751/917-590,
E-Mail: info@steinzeichen.de, Internet: www.steinzeichen.de

Touristinfo Rinteln: 05751/958255 (ProRinteln),
hier auch Anmeldung für Draisinenfahrten.


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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 11/2008
55. Jahrgang, November 2008, S. 409-412
mit freundlicher Genehmigung des AULA-Verlags
AULA-Verlag GmbH, Industriepark 3, 56291 Wiebelsheim
Tel.: 06766/903 141; Fax: 06766/903 320
E-Mail: falke@aula-verlag.de

Erscheinungsweise: monatlich
Einzelhelftpreis: 4,60 Euro
Das Jahresabonnement für 12 Hefte ist im In-
und Ausland für 47,- Euro zzgl. Porto erhältlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. November 2008