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TOURTIP/958: Biosphärenreservat Oberlausitz - Im Land der 1000 Teiche (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 5/2010

Das Biosphärenreservat Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft in Sachsen
- Im Land der 1000 Teiche

Von Christian Wagner, Christopher König, Christoph Moning und Felix Weiß


Die Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft liegt im Osten des Freistaats Sachsen zwischen Bautzen, Hoyerswerda und Niesky. Das Biosphärenreservat umfasst eine Fläche von 30100 Hektar und ist nur dünn besiedelt. Viele Orte sind aus sorbischen Siedlungen hervorgegangen und glänzen mit gut erhaltenen historischen Dorfanlagen, ehemaligen Guts- und Herrenhäusern, kleinen Schlössern und Parks. Sie sind es, die neben der einmaligen und artenreichen Natur- und Kulturlandschaft den Reiz der Region ausmachen.



Landschaftsgeschichte und Lebensräume

Das Biosphärenreservat liegt im Urstromtal der Saaleeiszeit. Grundwassernahe Sanderhebungen wechseln mit flachen Talniederungen ab. Ursprünglich standen auf den trockenen Kuppen Birken und Eichen-Kiefernwälder während Auen- und Moorwälder sowie Erlen-Eschenwälder die Niederungen dominierten. Der Wandel zur Kulturlandschaft begann im frühen Mittelalter. Bereits um 600 erreichten sorbische Siedler das Gebiet. Sie rodeten im Laufe der Jahrhunderte die Trocken- und Feuchtwälder, nahmen das Land in Nutzung und gaben ihm seinen Namen "Lausitz", was von Luza kommt und mit Sumpfland übersetzt werden kann. Die Teichwirtschaft gelangte mit den Franken, die ungefähr ab dem Jahr 1000 einwanderten, in das Gebiet. Mit der Zeit wurden die durch ein kompliziertes Grabensystem mit den Flüssen Spree, Schwarzer Schöps und Kleine Spree verbundenen Teichgüter landschaftsprägend und ein wichtiger wirtschaftlicher Erwerbszweig.

Über tausend Teiche zählt man heute in der Lausitz. Sie machen das Gebiet laut Eigenwerbung zum größten wirtschaftlich genutzten Teichgebiet Europas. Hauptwirtschaftsfisch ist der Spiegelkarpfen. Auch Hecht, Zander und Wels werden gezüchtet. Trotz der langen Siedlungstätigkeit ist der Wald die vorherrschende Vegetationsform geblieben. Kiefern dominieren heute das Waldbild und stellen fast 90 % der Bäume. Landwirtschaft und Siedlungen bestimmen mit den Teichen das übrige Landschaftsbild. Die jahrhundertealte Kulturlandschaft bildet bis heute ein lebendiges Lebensraummosaik. Dies führte dazu, dass 1990 zentrale Bereiche des Naturraums als Landschaftsschutzgebiet unter Schutz gestellt wurden. 1994 erfolgte dann die einstweilige Sicherung und 1996 die Anerkennung des Biosphärenreservats durch die UNESCO. Im Gegensatz zu einem Nationalpark, in dem der Mensch nur Zuschauer sein soll, steht bei einem Biosphärenreservat die traditionelle Nutzung der Landschaft und der Erhalt der daran angepassten Tiere und Pflanzen im Vordergrund. So sind auch heute die 335 Teiche des Reservats in Betrieb. Sie machen eine Fläche von 10 % des Biosphärenreservats aus.

Nördlich des Biosphärenreservats hat der Braunkohletagebau große Wunden in die Landschaft geschlagen. Die ausgebeuteten Restlöcher werden geflutet und bilden einen Teil der neuen Bergbaufolgelandschaft, die man zum Beispiel am ehemaligen Tagebau Bärwalde, dem heutigen Bärwalder See, oder am Tagebau Nochten südwestlich von Weißwasser besichtigen kann. Auch die militärische Nutzung hat eine lange Tradition in der Region und es kommt nicht von ungefähr, dass sich Deutschlands erste Wolfsrudel auf den relativ störungsarmen Übungsplätzen niedergelassen haben.

Sorben und Franken prägen noch heute die Regionalkultur, was sich nicht zuletzt in einer reichen Brauchtumspflege und, für Besucher besonders auffällig, in zweisprachigen Ortsschildern niederschlägt.



Besondere Vogelarten und Reisezeit

Die ungewöhnliche Vielfalt der unterschiedlichsten Landschaftselemente und die Lage am Ostrand Deutschlands führen dazu, dass das Biosphärenreservat sehr vogelartenreich und zu jeder Jahreszeit eine Reise wert ist. Unter die Brutvögel mischen sich Feuchtgebietsarten sowie Arten der Kulturlandschaft und östlich verbreitete Arten, die man im Westen von Deutschland nur selten antrifft. Typische Vertreter der Brutvogelfauna in den Teichgebieten sind Schellenten (20 % des deutschen Brutbestands), Zwerg- und Haubentaucher, Rohrdommeln, Rohrweihen, Seeadler (ganzjährig), Kraniche, Wasserrallen, Eisvögel, Beutelmeisen und Drosselrohrsänger. Auf den Teichdämmen mit ihren oftmals alten Eichen und in den Bruchwäldern findet man mit etwas Glück neben Grau- (selten), Grün-, Schwarz-, Bunt- und Kleinspechten auch Kuckucke und Pirole. Die besten Monate zur Beobachtung der Brutvogelarten sind Mai und Juni. Ebenfalls zu dieser Zeit kann man in den Randbereichen der Tagebaue (z. B. Bärwalde) Ziegenmelker, Turteltauben, Wiedehopfe, Raubwürger, Kolkraben, Heidelerchen, Sperbergrasmücken, Schwarzkehlchen, Steinschmätzer und Brachpieper beobachten. Weißstörche brüten in den Ortschaften, Rot- und Schwarzmilane patrouillieren über Felder und Gewässer.

Die Beobachtungsmöglichkeiten für Herbst- und Frühjahrszug sind nicht genau vorhersagbar. Die Verteilung der Arten ist immer abhängig von den Wasserständen in den Teichen. Auf den bespannten (gefluteten) Teichen herrschen Entenvögel vor, auf Teichen, die gerade abgelassen werden (meist ab September), wenn sie groß genug sind, Limikolen und oftmals große Ansammlungen von Silberreihern. Im Winter lohnen vor allem die großen Seen, wie der Bärwalder See oder die Talsperre Bautzen einen Besuch. Singschwäne, die westlich des Biosphärenreservats auch brüten, Gründel- und Tauchenten, Meeresenten, Säger und Seetaucher wird man mit Glück in der kalten Jahreszeit beobachten können.



Beobachtungsmöglichkeiten

Viele Teichgebiete lohnen einen Besuch; so zum Beispiel das Teichgebiet Mönau-Rauden, das Teichgebiet Zimpel oder die Guttauer Teiche. Letztere sind durch einen Lehrpfad mit Beobachtungshütten erschlossen. Der Bärwalder See ist im Winter (Meeresenten, Seetaucher) und zur Brutzeit (Raubwürger, Heidelerche, Steinschmätzer) spannend. Gute Beobachtungsmöglichkeiten ergeben sich von seinem Südufer. Für einen guten Überblick über den Tagebau Nochten mit seinen Trockenlandarten verlässt man die B südlich von Weißwasser nach Süden. Zwei besonders lohnende Ziele werden im Folgenden detaillierter dargestellt.

Der Tauerwiesenteich ist ein Flachsee mit einem schönen Beobachtungsturm. Er bietet ganzjährig lohnende Beobachtungsbedingungen, außer das Gewässer friert im Winter zu. Typischerweise kann man Seeadler, Kraniche, Flussseeschwalben und Eisvögel beobachten. In manchen Jahren brüten Zwergdommeln am Teich. Raubwürger sind meist das ganze Jahr im Gebiet. Im Herbst rasten mehrere Tausend nordische Gänse auf dem Teich. In der Nacht kann man am Beobachtungsturm den Waldkauz hören. In Förstgen, einem kleinen Ort 20 km nordöstlich von Bautzen an der K 8471, verlässt man die Kreisstraße nach Nordwesten. Durch den Ortskern hält man sich Richtung Zimpel und Tauer. 500 m nach dem Ortsausgang biegt man nach links in einen Waldweg ab. Nach ca. 200 m findet sich eine Parkmöglichkeit und 50 m weiter steht ein Beobachtungsturm. Zurück auf der Hauptstraße fährt man noch einmal 700 m weiter Richtung Tauer und erreicht so die auf der linken Seite liegende Kalkrampe, von der man den Teich ebenfalls überblicken kann.

Die Ratzener Teiche findet man am Westrand des Biosphärenreservats. Sie wurden erst 1998 in Betrieb genommen und werden in der Regel alle zwei Jahre abgefischt. Die Ratzener Teiche lohnen auch im Winter einen Besuch. Die beiden südlichen Teiche sind weitgehend offen, ohne größere Schilfgebiete und vor allem für Schwäne, Gänse und Enten interessant. Die beiden nördlichen Teiche sind von breiten Schilfgürteln umgeben und ein Eldorado für schilfbrütende Vogelarten. Man kann die Teiche von Lohsa aus erwandern. Eine Bahnstation befindet sich nur einen Kilometer vom Eingang zum Gebiet entfernt. Autofahrer biegen von Süden kommend 100 m nördlich des Ortseingangsschilds von Lohsa nach rechts ab (links gegenüber zweigt die Görlitzer Straße ab) und parken auf dem großen Platz. Von hier geht man geradeaus auf dem Mitteldamm in das Teichgebiet. Auf dem Damm brüten Beutelmeisen. Es lohnt sich den nordöstlichen Teich (links hinten) zu umrunden. Er ist vor allem interessant für Schilfvögel wie Rohrdommeln und Bartmeisen. Im weiteren Verlauf durchwandert man entlang des Teichs eine Heckenlandschaft mit Neuntötern, Sperbergrasmücken, Nachtigallen und Grauammern. Die gesamte Strecke ist vom Bahnhof und zurück 8 km lang und fahrradtauglich (6 km vom Parkplatz).



Weitere Beobachtungs- und Freizeitmöglichkeiten

Die interessanten Beobachtungsgebiete enden nicht an der Grenze des Biosphärenreservats. Ein weiteres Wintergebiet ist die Talsperre Bautzen. Der See ist von verschiedenen Punkten einsehbar. Am einfachsten erreicht man einen großen Parkplatz am Ostufer des Sees. Von der A 4 Abfahrt "Bautzen Ost" fährt man auf der B 156 nach Norden und erreicht ihn linkerhand nach 1,5 km.

Ein sehr gutes Beobachtungsgebiet ist auch die Talsperre Quitzdorf. Sie liegt 20 km nordwestlich von Görlitz am Ostrand des Biosphärenreservats. Ursprünglich gebaut als Kühlwasserreservoir für das Braunkohlekraftwerk Boxberg, entstanden im Laufe der Zeit große Flachwasserbereiche und natürliche Verlandungszonen, die bei Niedrigwasser in weiten Teilen trocken fallen. Das Hauptbecken, das Teilbecken Reichendorf und der Neuteich Diehsa sind auf 1578 ha als Europäisches Vogelschutzgebiet ausgewiesen. Zur Brutzeit kann man mit Schellenten, Kormoranen, Rohrdommeln, Silberreihern, Fischadlern, Seeadlern, Kranichen und in der Flussseeschwalben- und Lachmöwenkolonie manches Jahr auch mit Schwarzhalstauchern rechnen. Zum Frühjahrs- und Herbstzug nutzen nordische Gänse, Enten, Limikolen und Seeschwalben in großer Zahl die nahrungsreichen Flächen zur Rast. Sehr interessant ist auch der Winteraspekt. Regelmäßig kommen hier Meeresenten, Säger, Lappen- und Seetaucher, Lach-, Sturm-, Silber-, Mittelmeer-, Steppen- (im Winter die häufigste Großmöwe) und Heringsmöwen sowie Bergpieper vor. Fischmöwen besuchen unregelmäßig und zwar vor allem Ende November bis Anfang Dezember den See. Die drei wichtigsten Beobachtungspunkte liegen im Süden der Talsperre. Das Teilbecken Reichendorf erwandert man am Besten von dem kleinen Sträßchen, das von der L 122 abzweigend zum Stausee Wacheber g/Niederschlesisches Feriendorf führt. Man folgt diesem kleinen Sträßchen für 1,1 km und parkt dann an der scharfen Rechtskurve. Geradeaus führt der Weg ins Gebiet. Ein weiterer sehr guter Beobachtungspunkt ist die Bungalowferiensiedlung Wacheberg, die am Ende dieser kleinen Straße liegt. Nicht fehlen sollte auch die Säuberg-Runde. Man erreicht den Säuberg von Diehsa aus. Im Ort orientiert man sich nach Osten Richtung Jänkendorf. 400 m weiter nimmt man die Straße nach links (Norden) Richtung Stausee und Säuberg. Nach 2,4 km ist die Straße gesperrt und man stellt das Auto am Wegrand ab. Den besten Blick hat man von der Spitze der nach Nordwesten in den See hineinragenden Halbinsel. Weitere Beobachtungspunkte rund um den See lohnen vor allem im Winter.


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Infomaterial/Literatur:

Goedelt J 2001: Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft:
Die Glückszahl 13 im deutschen Naturschutz. Falke 48: 282-288.

Hallfarth T, Flöter E, Hering J, Kronbach D, Nachtigall W, Ulbricht J, Zischewski M 2009:
Ornithologische Beobachtungen 2006 in Sachsen. Rundschr. Ver. Sächs. Ornithol. 32: 6-58. www.vso-web.de.

Krüger S 2006: Die Vogelwelt ausgewählter ostsächsischer Bergbaufolgelandschaften. Selbstverlag, Hoyerswerda.

Wagner C, Moning C 2009: Vögel beobachten in Ostdeutschland. Kosmos, Stuttgart.



Anfahrt

Mit Bahn und Bus:
Die Weitläufigkeit des Biosphärenreservats und die verstreute Lage der Teichgebiete begrenzen die Möglichkeiten, sich mit öffentlichen Verkehrsmitteln fortzubewegen. Bahnhöfe befinden sich in Mücka, Klitten, Uhyst, Lohsa, Königswartha, Weißwasser und Bautzen. Praktikabel, schön und abwechslungsreich ist die Fortbewegung mit dem Fahrrad. Über ein gut ausgebautes Radwegenetz erreicht man die Teichgebiete, deren Dämme meist frei begehbar und fahrradtauglich sind. Wer etwas mehr Zeit hat, kann den 2009 eröffneten, 90 km langen, Seeadlerrundweg mit verschiedenen Aussichtspunkten sowie Rastmöglichkeiten unter die Reifen nehmen. Er verbindet eine Vielzahl interessanter Teichgebiete miteinander.

Mit dem Auto:
Im Süden wird das Biosphärenreservat durch die A 4 erschlossen. Sie ist das Einfallstor für Besucher aus Süd- und Westdeutschland. Von Berlin kommend erreicht man das Gebiet über die A 13 oder die A 15.



Adressen

Biosphärenreservatszentrum Guttau OT Wartha, Dorfstr. 29, 02694 Guttau
OT Wartha Öffentlichkeitsarbeit/Bürgerberatung
Tel.: 035932/36514, www.biosphaerenreservat-oberlausitz.de
Der Naturerlebnispfad Guttauer Teiche und Olbasee beginnt am Zentrum.

NABU Fachgruppe Ornithologie Niesky, www.ornithologie-niesky.de
es werden unter anderem relativ zeitnah interessante Beobachtungen veröffentlicht.

Detailkarte Naturerlebnispfad Guttauer Teiche und Olbasee unter
www.biosphaerenreservat-oberlausitz.de
(auf Serviceangebote und dann Naturerlebnispfade klicken).

Informationen zum Seeadlerrundweg (Wegbeschreibung, Karte, Infoeinrichtungen)
stellt das Sächsische Staatsministerium für Umweltund Landwirtschaft zur Verfügung.
Ein Faltblatt kann man bestellen (Bürgertelefon 0351/5646814) oder herunterladen unter:
http://www.smul.sachsen.de/smul/download/Faltblatt_Seeadlerrundweg.pdf


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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 5/2010
57. Jahrgang, Mai 2010, S. 189-192
mit freundlicher Genehmigung des AULA-Verlags
AULA-Verlag GmbH, Industriepark 3, 56291 Wiebelsheim
Tel.: 06766/903 141; Fax: 06766/903 320
E-Mail: falke@aula-verlag.de
Internet: www.falke-journal.de

Erscheinungsweise: monatlich
Einzelhelftpreis: 4,80 Euro
Das Jahresabonnement für 12 Hefte ist im In-
und Ausland für 49,- Euro zzgl. Porto erhältlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Juni 2010