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SCHLUCKAUF/0011: Der Elektro-Kommunist - Nachtisch & Satire (SB)


Der Elektro-Kommunist


Alles fing damit an, daß die oberbayerische High-Tech-Firma "Ident Technology" einen Sensor entwickelte, der auf das elektrostatische Nahfeld reagiert, welches jeden Menschen mit einem Radius von etwa 50 cm umgibt. Mit einem solchen Sensor läßt sich beispielsweise verhindern, daß jemand sich in seinem automatisch schließenden Autoschiebedach einklemmt, weil der Sensor sein Nahfeld rechtzeitig registriert.

Als ein tüftelfreudiger Kunde der Firma zufällig herausfand, daß sich in intensiven Gesprächssituationen mit engen Freunden mitunter ein gemeinsames, erweitertes Nahfeld um den Personenkreis aufbaut, das den Sensor schon auf eine Entfernung von ca. 7 m ansprechen läßt, ging er der Sache nach. Es stellte sich bald heraus, daß interessierte, einander nahestehende Personen mit Hilfe der Rückmeldung durch einen leicht modifizierten Nahfeld-Sensor lernen können, ein extrem erweitertes Nahfeld aufzubauen, dessen Spannung deutlich höher ist als bei einer Einzelperson.

Alle einem solchen "kollektiven Nahfeld" zugehörigen Personen berichteten übereinstimmend über eine exorbitante Zunahme an Wohlbehagen, Tatenfreude und Leistungsfähigkeit. Krankheitssymptome verschwanden, bisher ungekannte Merk- und Denkkapazitäten wurden freigesetzt.

Als der Tüftler sich entschloß, seine Entdeckung als Computerspiel auf den Markt zu bringen, bei dem es endlich einmal nicht um die Vernichtung des anderen ging, sondern um die Qualifizierung der Zusammenarbeit, erlebte er eine Überraschung. Sämtliche Computerspiel- Vertreiber lehnten ab. Dabei sprach die ungewöhnlich offene Begründung eines kleineren Herstellers eigentlich für alle: "Da unsere Kunden laut Umfrage hauptsächlich kommunikationsgestörte, frustrierte und vereinsamte Menschen sind, werden wir nicht so blöd sein, uns mit Ihrer Elektro-Kommunismus-Idee den Markt zu versauen. Wie wäre es stattdessen mit einem Nahfeld-Verteidigungs-Spiel?"

29. Juli 2008