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SCHLUCKAUF/0025: Feiertagsverkäufe - Nachtisch & Satire (SB)


Feiertagsverkäufe


Der Wandel mitunter schon in vorchristlicher Zeit begangener Feiertage wie Wintersonnenwende oder Ostara von ihren mythischen zu ihren christlich-religiösen Fixpunkten Weihnachten und Ostern und schließlich zu ihrer kommerzgetragenen Inszenierung ist wohl weitgehend abgeschlossen. So ist auch der aus dem US-Amerikanischen importierte Budenzauber "Halloween" am Abend vor Allerheiligen nicht Ausdruck wiederbelebten christlichen oder vorchristlichen Kulturguts, sondern des Vermarktungsgeschicks zahlloser Halloween-Produktanbieter, die zu gegebenem Anlaß weiß-der-Teufel-nicht-alles für Zeug feilbieten. Kurz und gut, an den gesetzlichen Feiertagen feiert das kapitalistische Profitstreben inzwischen mehr oder weniger sich selbst.

Daß das nur recht und billig ist, da das Profitmachen in unserer ökonomisch orientierten Gesellschaft eine hochgeachtete Tätigkeit darstellt, ist auch die Meinung des neoliberalen Diplom-Betriebswirts Freimut Goldraff (FDP). Er geht sogar noch einen Schritt weiter und vertritt die Auffassung, daß unsere Gesellschaft es nicht nötig habe, sich hinsichtlich ihrer Feiertage immer noch hinter christlichen und vorchristlichen Bräuchen zu verstecken. Goldraff hat daher eine Initiative ins Leben gerufen, die der Kultusministerkonferenz noch in diesem Jahr ein "der modernen Industriegesellschaft inhaltlich und finanziell angemessenes Feiertagsmodell" vorlegen will.

Im Rahmen des Modells sollen vom Gesetzgeber frei zu bestimmende Feiertagstermine von Großunternehmen käuflich erworben werden, um, mit dem Unternehmensnamen versehen, beim Verbraucher zu punkten. Pharma-Gigant Mayer und der in Deutschland hochaktive Nahrungsmittelhersteller Freßtle haben bereits Interesse an einem Mayer-Geburtstag respektive einem Freßtle-Gründungsgedenktag angemeldet. Die pro ersteigertem Feiertag jährlich zu entrichtende Summe von 2 Milliarden Euro orientiert sich an Berechnungen, die anläßlich der Abschaffung des 3. Oktober als Feiertag angestellt wurden und die die durch einen arbeitsfreien Tag wegfallenden Staatseinnahmen beziffern. Jeder Feiertag würde also sich selbst tragen und nicht länger die staatliche Haushaltskasse belasten.

Nach einem längeren Gespräch mit dem Bundesfinanzminister äußerte sich Goldraff kürzlich gegenüber Jounalisten sehr zuversichtlich, daß bereits 2012 der erste Mayer-Feiertag in bundesrepublikanischen Kalendern verzeichnet werden könne. Auf die Frage, ob sämtliche christlichen Feiertage durch die Neuregelung automatisch abgeschafft würden, erwiderte er: "Es ist Sache der Kirchen selbst, sich mittels Eigenkapitaleinsatz oder großangelegter Spendenaktionen eigene Feiertage zu erwerben. Das ist die freie Marktwirtschaft. Würde Coca-Cola den 24. Dezember kaufen, gäb's anstelle der Predigt eben Party."

29. Oktober 2008