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SCHLUCKAUF/0028: Patriotensuppe - Nachtisch & Satire (SB)


Patriotensuppe


Kein landesküchenbewanderter Profikoch hätte sich gestern noch träumen lassen, daß ausgerechnet sein Berufsstand einmal antreten müßte, um dem darniederliegenden deutschen Nationalstolz aufzuhelfen. Und doch spricht derzeit alles dafür. Denn während im Zeichen der Wirtschaftskrise in fast allen betroffenen Ländern in Ermangelung hilfreicher Konzepte kräftig an den Patriotismus der Bevölkerung appelliert wird, muß Deutschland als entpatriotisierte Zone bislang ohne diesen Starkmacher auskommen.

Weil aber angesichts der noch ausstehenden, wirklich krassen Verarmung großer Bevölkerungsteile auch die Bundesregierung nicht völlig auf nationale Autosugesstionen im "Yes we can"-Stil der USA verzichten will, muß schnell eine original deutsche, schichtübergreifende und nationalsozialistisch unbelastete Identifikationsgrundlage her. Der Versuch, über die deutsche Sprache zu einem neuen Volksgemeinschaftsempfinden zu gelangen, ist nach der von der CDU ausgelösten hitzigen Debatte um die Verankerung der Deutschsprachigkeit im Grundgesetz wohl vorerst als gescheitert zu betrachten. Die Anhaltspunkte für ein urdeutsches Wir-Gefühl, das dem Durchschnittsbürger sein Deutschsein wieder schmackhaft macht, gehen langsam aus. Warum also nicht zum Naheliegendsten greifen - der deutschen Hausmannskost?

In Schulen und Kantinen sowie in Krankenhäusern, Bahnhofsgaststätten, Universitäts-Mensen und sämtlichen Armenverköstigungsinstitutionen soll fortan wieder original deutsch gekocht werden. Als Grundlage für ein gesundes deutsches Selbstwertgefühl startet das Bundesernährungsministerium gemeinsam mit dem Ministerium für Öffentlichkeitsarbeit im neuen Jahr eine landesweite "Liebe geht durch den Magen"-Kampagne, Vaterlandsliebe natürlich. Schließlich verstärkt ein hoher Anteil patriotismusgesättigter Fettsäuren in der Nahrung später erfahrungsgemäß die Bereitschaft, den Gürtel noch etwas enger zu schnallen.

12. Dezember 2008