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SCHLUCKAUF/0095: Eine profitable Lösung - Nachtisch & Satire (SB)


Eine profitable Lösung


Dank dem Medizinprodukt "Humaprotolipid", einer neuartigen Nährlösung für Magensondenpatienten, erfährt der Satz "Du bist, was du ißt" nun eine sehr viel konkretere Bedeutung. Denn die aus körperverwandten Proteinen und Fetten bestehende Lösung ist eine Innovation auf dem Arzneimittelmarkt - obgleich die Hersteller mit dieser Tatsache eher diskret umgehen. Ihre Zurückhaltung hat einen Grund: Die Grundsubstanzen von "Humaprotolipid", sprich die enthaltenen Proteine und Lipide, sind ausschließlich menschlichen Ursprungs.

Zwar ist die allgemeine Empfindlichkeit angesichts der zahlreichen auf dem Gesundheitsmarkt befindlichen, industriell aufbereiteten Leichenprodukte (z.B. aus Leichen gewonnenes Kollagen zum Aufspritzen der Lippen, aus gemahlenen Menschenknochen hergestellte Kittpaste zur Wirbelsäulenstabilisierung, normierte Knochengewebsstiftchen für Nasenkorrekturen und dergleichen mehr) im letzten Jahrzehnt stark zurückgegangen, doch haben wir es bei "Humaprotolipid" mit einer weiteren, psychologischen Grenzüberschreitung zu tun.

Rechtlich gesehen müssen industriell aufbereitete Leichenprodukte nicht wie Transplantationsorgane oder -gewebe gehandhabt werden, sondern unterliegen im Hinblick auf Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung lediglich den Richtlinien für Humanarzneimittel:

RICHTLINIE 2004/23/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 31. März 2004 zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen

(...)

(6) Bei Geweben und Zellen, die für die Nutzung in industriell hergestellten Produkten, einschließlich Medizinprodukten, bestimmt sind, sollten nur die Spende, die Beschaffung und die Testung von dieser Richtlinie erfasst werden, falls die Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung durch andere Gemeinschaftsbestimmungen abgedeckt sind. Die weiteren Schritte der industriellen Herstellung unterliegen der Richtlinie 2001/ 83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (4).

Da es sich bei der Magensonden-Nährlösung "Humaprotolipid" um ein Arzneimittel handelt, trifft die zuvor genannte Richtlinie für industriell hergestellte Medizinprodukte zu. Das heißt, auf dem Beipackzettel müssen zwar die Inhaltsstoffe, nicht aber deren Herkunft verzeichnet sein. Auf diese Weise kommen Magensondenpatienten ohne heilungsverzögernde Aversionen in den Genuß einer besonders bekömmlichen, extrem gut resorbierbaren Nährlösung. Darüber hinaus können die bisher im Medizinprodukte-Fertigungsprozeß nicht verwendbaren Spendergewebsreste endlich einer sinnvollen Nutzung zugeführt werden.

16. Dezember 2011