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SCHLUCKAUF/0130: Das Lied vom Geld - Nachtisch & Satire (SB)


Das Lied vom Geld



Daß die Deutsche Bahn verstärkt in die Video-Überwachungssysteme der Bahnhöfe investieren will, hat zunächst Befürchtungen hinsichtlich weiterer Fahrpreiserhöhungen ausgelöst. Doch diese können nun von der Bahndirektion durch die Bekanntgabe eines neuen Teilhabers an der kostspieligen Bahnhofs-Überwachungselektronik wirksam zerstreut werden.

Es handelt sich dabei um die Gema, die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und Vervielfältigungsrechte, die vor allem in Deutschland strengstens darauf achtet, daß niemand Musikstücke, auf die ein Gema-Mitglied das Urheberrecht besitzt, nachsingt oder nachspielt, ohne daß er dafür Gebühren entrichtet. In Musikkneipen, Cafés, Kaufhäusern oder in Fußgängerzonen ist es in Deutschland längst Usus, daß die Gema unangemeldete Liedgutnutzer zur Kasse bittet. Aber die vielen privaten Nutzer, die öffentlich einfach irgendeinen Song vor sich hinträllern, während sie auf der Rolltreppe stehen oder einkaufstütenschwingend über den S-Bahnsteig schlendern - die sind der Gema bisher entkommen!

Das wird sich jetzt ändern. Denn die moderne Bewegungserkennungs-Software, die die Bahn sukzessive auf allen Bahnhöfen installieren will und die verdächtige Bewegungsmuster wie wiederholtes Sich-Umschauen und Abstellen eines Koffers sofort weitermeldet, kann noch viel mehr. Beispielsweise kann sie anhand bestimmter Lippenbewegungen feststellen, welches Lied ein Passant gerade trällert. Dabei spielt die Lautstärke keine Rolle. Sollte es sich um einen bei der Gema registrierten Song handeln, könnten sofort Schritte zur Identifizierung der Person eingeleitet und die Überweisung einer Gebühr wegen unberechtigter Nutzung Gema-geschützten Liedguts angeordnet werden.

Da nimmt es nicht Wunder, daß die Gema sich an der Finanzierung der Überwachungssoftware der Bahn beteiligen will, winken ihr doch neue Einnahmen in Millionenhöhe. Schließlich werden die meisten Bürger, um nicht ständig mit zusammengepreßten Lippen herumlaufen zu müssen, wahrscheinlich bereit sein, die geplante Gema-Amateur-Pauschale zu entrichten, damit sie weiterhin ungestraft die eine oder andere Liedzeile intonieren dürfen.

Das von den entschiedenen Gegnern der Gema-Amateur-Pauschale empfohlene Tragen einer "Lippen-Burka", einem mit Gummiband unter der Nase befestigten schwarzen Läppchen, welches die Lippenbewegungen vor den Überwachungskameras verbirgt, gilt zwar als wirksam, ist den meisten als Gegenmaßnahme aber wohl doch zu kraß.

5. November 2013